Die Armaturen kommen digital, nicht hübsch, dafür praktisch. Heizung, Lüftung und die allernotwendigsten Taster kennen wir aus der Giulietta, die Sitze sind hart, eng und spartanisch, aber sportlich. Warum man in einem Alfa-Supersportler so ein schwarz lackiertes Trumm von einem Lenkrad (es ist nicht allzu entfernt verwandt mit jenem des Abarth 500) vorfindet, bleibt allerdings unverständlich. Und doppelt frevelhaft insofern, als man bei den aktuellen Airbag-Standards ja nicht einfach so zu MomoDesign gehen und ein diesem Fahrzeug entsprechendes Lenkrad nachkaufen kann.
Auch die Schaltwippen des 6Gang-TCT-Doppelkupplungsgetriebe sind direkt hinten am klobigen Lenker angeflanscht, in Kurven sucht man stets danach, wo’s rauf oder wo’s runtergeht. Das bleibt allerdings das einzig bekrittelnswerte an dieser tollen Schaltbox. Man hat selten ein so schlau agierendes Getriebe getroffen. Sowohl im Automatik-, als auch im manuellen Modus errät das Teil exakt, wie man gerade drauf ist. Will man bolzen, wird in minimal 130 Millisekunden reagiert, ist man gemütlich unterwegs, werden die Gänge durchgeschleinzt. Der etwas große Sprung von der dritten in die vierte tritt einem bei beherzter Gangart witzig ins Kreuz, ist man zu ambitioniert beim Runterschalten, spricht die Elektronik ein laut fiepsendes Machtwort und verhindert so ungutes Hochjodeln des Triebwerkes.
Dass man überhaupt erst auf die Idee käme, das Auto zu überdrehen, liegt am etwas verschobenen Inertialsystem dieses Wagens, was die Wahrnehmung von Geschwindigkeit und Physik im Fahrverhalten betrifft. Man ist praktisch immer zu schnell unterwegs mit dem 4c. Bolzt unversehens dreistellig durchs Ortsgebiet, während man meinte, gerade mal 60 zu fahren. Oder kratzt im weitläufigen Freiland völlig entspannt an der 180 Km/h-Marke, obwohl man vorsorglich nicht mal in die Fünfte schaltete. Da beruhigt es ungemein, das selbst unerwartetste Kurven vom hochvereinfachten, aber besonders an der Hinterachse ausgeklügelten Fahrwerk unerhört anstrengungslos aufgesaugt werden. Auch die servofreie Lenkung macht sich bei erhöhtem Fahrtempo nicht unnötig wichtig dadurch, über jeden Kieselstein einzeln zu informieren. Und die bereits erwähnte Schlankheit der Reifendimension hält dieses Auto schienenartig auf Spur.
Powerslides im klassischen Sinn sind übrigens gestattet, die Elektronik des 4c hält den engagierten Sportfahrer an der langen Leine. Zwar wird in den Modes „All Weather“, „Naturale“ und „Dynamic“ schon eingegriffen, falls es brenzlig wird, aber immer hochdezent und mit Gefühl. Bloß im „Race“-Modus, den es nur beim 4c gibt (das normale DNA findet sich in allen drei Alfa-Modellreihen verbaut) mischt sich die Elektonik überhaupt nicht mehr ein, das ESC beschränkt sich auf Bremseingriff im äußersten Notfall. Man hat dann sozusagen „4c on the rocks“, bis ins letzte geschärft, Kennfeld, Getriebe, alles. Für manche beginnt dann erst der echte Spaß. Und andere sollten diesen Modus gar nicht erst ausprobieren …
Verblüffend gibt sich der Sound des 4c. Und damit ist ganz sicher nicht jener der gemeint, der aus dem DIN-Radioschlitz kommt. Aus den für einen Sportwagen recht unscheinbaren zwei Auspuffern dröhnt, röhrt und brazzelt es wie bei der Formel 1 in der Boxengasse. Und weil der ganze Motor recht exakt hinter den Ohrwascheln der Passagiere hängt, muss man nicht mal groß das Fenster aufmachen, um sich die volle Dröhnung zu geben. Der Turbo pfeift und faucht völlig ohne Genierer, auch das Getriebe schickt sich an, jeden Schaltvorgang selbstbewußt zu kommentieren. Dreht man die Maschine schließlich über die gottvolle 5000-Tourengrenze hinaus, herrscht Monoposto-Feeling, Gänsehaut inklusive, aber von der brutalen, rauhen Sorte, Marke Schleifpapier. Der Alfa 4c ist alles andere als ein Gentleman im Fahrbetrieb. Eher einer von der Sorte räudiger Fleischhauer. Er rülpst und kachazt genussvoll, rotzt schön die Nase hoch und wischt sich nachher mit dem Jackenärmel über die Schnauze. Man verzeiht ihm dies schnell, respektiert ihn darob, wie gut er alles kann, was er können muss. Und verhabert sich gerne, auch stolz mit ihm. Das toleriert der 4c auch gerne, solange man nichts falsch macht im Infight. Dann ist empathisches Verzeihen genauso wenig seine Stärke wie die Reparatur einer Carbon-Fahrgastzelle billig.
Nix mit „pipperli-pupperli“ (© Nina Hagen) also: Entweder, oder. Der Alfa 4c ist halt eine ehrliche Haut. Sowas mögen wir. Und wir könnten uns daran gewöhnen.
Der Alfa Romeo 4c in Zahlen: 1750ccm-Vierzylinder-Turbomotor, 241 PS, 350 Nm (2200-5900 U/min), 895 Kilogramm Trockengewicht. Sprint von 0-100: 4,5 Sekunden. Spitze: 258 km/h.
Österreich-Preis (inkl. alle Abgaben): 54.000 Euro.