Es war keine Frage, ob ein RS6 kommt, sondern wann er kommt. Und man ließ sich diesmal sogar rechtschaffen wenig Zeit bis zum Launch der vorerst stärksten Ausbaustufe KMU-gerechter Supersport-Fortbewegung: knapp zwei Jahre nach dem normalen Modell tritt nun schon der RS auf. Beim vorangegangenen Modell lagen zwischen Brot-und-Butter-Modell und Sahnehäubchen ganze vier Jahre.
Aus einem Guss
Trotz der kürzeren Entwicklungszeit wirkt der neue RS6 im Gegensatz zu seinen beiden Vorläufern weniger hausbacken im Auftritt. „Backen“ ist da ja gleich ein gutes Stichwort: wenn wir das Hinterteil des vorigen RS6 memorieren, fallen einem die etwas aufgeblasen-ausgestellten hinteren Radkästen auf, die vor allem beim Kombikleid dick auftrugen. Derlei Extravaganzen hat man sich diesmal nicht geleistet: die Karosserie wirkt von vorn bis hinten wie aus einem Guss, auch das Montieren nicht ganz so superdicker Winterreifen sähe nicht ganz peinlich aus. Andererseits: an der Bereifung wird jemand, der sich einen RS6 leistet wohl auch im Winter kaum sparen.
Gummi
Wir sprechen von einem Anschaffungspreis von 132.800 Euro inklusive aller österreichischen Abgaben, da kommts auf die paar 500er für gleich dicke Winter- wie Sommergummis nicht an. Dass man oft Gummi nachlegen wird müssen, liegt übrigens im Wesen des räudigen 560 PS-Köters, da hilfts auch nix, dass die mörderischen 700 Nm Drehmoment (liegen schon bei 1750 U/min erstmals an) gerecht auf alle vier Radeln verteilt werden. 8 doppelgekuppelte Gänge versuchen sich im Kraftkampf zusätzlich einzumischen, immerhin, sie werden nicht ignoriert. Und man hört sie auch deutlich im Innenraum. Hier sägt einige Macht an diversen Achsen und Gelenken und Differenzialen und wie das tut, wenn es unter Vollast tut, hört man deutlich, ungefähr auf Höhe der hinteren Sitzbank. Es klackt im rechten Moment, manchmal schnaubt es auch. Bloß ein Quietschen der Reifen ist selten zu hören. Zu akkurat mischt sich die wunderbar dezente Traktionskontrolle, wenns sein soll, ins Geschehen ein.
Individuelle Fahrmaschine
Bis ins kleinste Detail lässt sich das Technikverhalten dieser Fahrmaschine individualisieren. Switcht man von einem extrem (alles auf Comfort) zum anderen (alles auf Dynamic), dann meint man, es mit einem völlig anderen Auto zu tun zu haben. Freilich steht das rüpelige Gebollere besser zu diesem Auto, auch im Komfortmodus wird sich aber niemand über mangelnde Leistung beschweren.
Klar, die deutsche Autobahn. Es hat wohl seinen Grund warum Audi den RS6 rund um den Münchener Flughafen präsentiert. Die Autobahn A 92 von Deggendorf nach München ist die wohl profundeste Rennstrecke Mitteleuropas, die ohne Tempolimit dem öffentlichen Verkehr gewidmet ist. Irgendwann an diesem sonnigen Vormittag auf einer längeren Pause zwischen LKW’s und Linksspur-Bummlern zeigte das Head Up-Display herzhafte 277 km/h an. Und das noch dazu bei völlig unaufgeregtem Fahrverhalten, nichtmal seine Stimme erheben musste der Beifahrer. Noch viel nachdenklicher stimmt einen, wie sich dieses Sportgerät bei 190 km/h anfühlt. Dann lümmelt man nämlich lässig im Sitz wie daheim vorm Fernseher, hält das Gouvernal obercool zwischen Daumen und Zeigefinger und sein vegetatives Nervensystem legt einem ein kurzes Schläfchen nahe, so unaufgeregt geben sich knapp zwei Kilo in einem Gefährt wie diesem. Wenn man sich in solchen Momenten ausmalt, welche Folgen ein Abflug bei dieser Reisegeschwindigkeit haben könnte, schießt einem das Adrenalin rechtschaffen in die Gehörgänge.
Nur am Rande bemerkt: In Deutschland ist der schnellste A6 schon um 107.900 Euro wohlfeil. Das wäre dann die realitätsnahe und eigentlich recht knappe Kalkulation für ein Auto wie dieses, dem ridikulöse Steuersätze wie die heimischen ziemlich Unrecht tun.
Audi RS6
Twin-Turbo V8-Motor mit FSI Direkteinspritzung
8Gang-S-Tronic-Doppelkupplungsgetriebe
Hubraum: 3993 ccm
Leistung: 412 kw / 560 PS
Beschleunigung 0-100 km/h: 3,9 Sekunden
Spitze: 250 km/h, Top Speed Option (auf Wunsch): 301 km/h
EU-Zyklus-Verbrauch: 9,8 Liter / 100 km
Preis: 132.800 Euro.