4.500 Newtonmeter Drehmoment! Audi hat anläßlich der LA Motorshow zu ersten Testfahrten mit dem E-Supersportler geladen. Autonet war dabei.
Die Sportwagen stehen unter Strom. Damit Schnellfahrer und Besserverdiener den Spaß am Auto nicht verlieren, arbeitet die Industrie mit Hochspannung an einer Reihe sauberer Sportler, mit denen man ohne Reue rasen kann. Im Windschatten des Elektro-Pioniers Tesla fahren deshalb auch bei Audi und Mercedes in den nächsten Jahren zwei Öko-Boliden aus der Boxengasse, die mit Strom statt Sprit betankt werden. Während es den elektrisch angetriebenen Flügeltürer SLS bislang allerdings nur als Skizze gibt, hat Audi den e-tron zur IAA in Frankfurt bereits als greifbare Studie präsentiert und die ernsthaften Absichten jetzt noch einmal untermauert. Denn bereits drei Jahre vor dem Start der ersten Kleinserie baten die Bayern nun bei einer ersten Ausfahrt zum Rendezvous mit der Zukunft.
R8 aus der Zukunft
Auf den ersten Blick wirkt der feuerrote e-tron dabei noch wie so viele andere Studien, denen ein wenig frische Schminke und ein paar verrückte Details zusätzliche Aufmerksamkeit bescheren sollen. Schließlich kennt man die Silhouette schon vom R8, selbst wenn die Plattform und das Aluminiumgerüst des Teilespenders ein wenig beschnitten wurden und der Zweisitzer nun nur noch 1,23 Meter flach und 4,26 Meter kurz ist. Und die beweglichen Kühlrippen vorn im Grill oder hinten auf dem Rücken, die futuristischen Speichenräder und erst recht natürlich die LED-Leuchten gingen gerade bei Audi problemlos als Spielerei der Designer durch.
Startknopf drücken und - Stille
Doch spätestens, wenn man im fast schon klinisch reinen Cockpit den Starterknopf drückt, ist es vorbei mit der Vertrautheit. Wo dabei im R8 lauthals ein Zehnzylinder aufbrüllt und der Zeiger glutrot über Drehzahlmesser wischt, hört man im e-tron nur das leise Surren des Cockpits, das sich unter einem Aludeckel hinter dem Lenkrad hervor schält, und den lederbezogenen Schaltknauf, der wie das Periskop eines U-Boots aus dem Mitteltunnel auftaucht.
4.500 Newtonmeter Drehmoment
„Doch Vorsicht, jetzt ist der Wagen an“, mahnt Entwickler Thomas Kräuter vom Beifahrersitz und sagt das so, als habe man eine scharfe Waffe in Händen.
Aber im Prinzip ist ja auch genau das der Fall. Denn kaum fällt auch nur ein Schatten des Fußes auf das Gas-, sorry das Strompedal, kennen die vier zusammen 313 PS starken E-Motoren der futuristischen Flunder kein Halten mehr: Mit 4500 Nm von der ersten Millisekunde an zerren die vier Räder am löchrigen Asphalt des Highway Number One, den Audi für die Jungfernfahrt ausgewählt hat. Ohne jede Warnung bekommt man deshalb einen kräftigen Tritt ins Kreuz. Während die Ohren noch vergeblich auf das Brüllen eines Motors oder wenigstens das Röhren eines Auspuffs warten, drückt es die Augen tief in ihre Höhlen und der e-tron jagt davon, als hätte am Ende der Straße jemand einen riesigen Magneten aufgestellt. „Egal ob man startet, 30 oder 140 fährt, das Drehmoment ist immer gleich“, erläutert Kräuter und freut sich am verdutzten Gesicht des Fahrers, wenn er den Zweisitzer mit kleinen Stromstößen springen lässt wie einen bockigen Rodeo-Gaul und die eigens zur Streckensicherung angeheuerten US-Cops schon längst nicht mehr hinterher kommen.
Beschleunigungsberserker
Zwar hat Audi die Höchstgeschwindigkeit mit Rücksicht auf die Reichweite auf 200 km/h limitiert. Doch den Sprint von 0 auf 100 schafft der als Studie noch knapp zwei und später höchstens 1,6 Tonnen schwere e-tron in 4,8 Sekunden, und bei einem Zwischenspurt von 60 auf 120 km/h in 4,1 Sekunden gibt es auf dem Pacific Coast Highway kaum eine Gerade, die fürs Überholen zu kurz wäre: mal eben sanft das Pedal gestreichelt, und – wusch – schon zischt der e-tron wie ein Tarnkappenbomber vorbei.
Angst und Bange
Dabei protzen die Bayern nicht nur mit den schieren Leistungsdaten, sondern auch mit einem neuen Maß an Fahrdynamik: Ein so genanntes Torque Vectoring-System kann das Drehmoment der vier Motoren variabel zwischen allen Rädern verteilen und damit noch mehr Traktion und Fahrspaß zaubern als der Quattroantrieb. Zum Auto Scooter reicht es der Studie zwar noch nicht, weil die Entwickler mit Rücksicht auf den Preis des Einzelstücks und ihren engen Terminplan natürlich zur Vorsicht mahnen. Doch schon die erste Spritztour mit der für eine Studie ungewöhnlich soliden Flunder sollte jedem Porsche-Fahrer Angst und Bange machen.
Kraftwerk hinter den Sitzen
Seine Kraft tankt der e-tron aus einer Lithium-Ionen-Batterie vom stattlichen 470 Kilogramm, die dort montiert ist, wo beim R8 der Motor steckt – hinter den Sitzen. Weil sie den Blick über die Schulter versperrt und an Stelle der Außenspiegel zwei kleine Kameras montiert sind, muss man beim Fahrern allein auf die drei Bildschirme vertrauen, die reihum im Cockpit montiert wurden. Doch wer schaut schon zurück, wenn die fahrt in Richtung Zukunft geht.
Ladezeit: 2,5 Stunden
Die Kapazität des Akkus liegt bei 53 kWh, von denen 42,4 kWh genutzt werden können. Ist er leergefahren, muss der E-tron zum Volltanken für sechs bis acht Stunden an die Haushaltssteckdose, mit Starkstrom genügen dem Akku 2,5 Stunden. Zwar gibt es für solche Fälle ein Kabel und eine schmucke Ladebuchse unter dem Heckdeckel. Doch arbeiten die Audi-Ingenieure auch an einem drahtlosen Ladesystem mit Induktionstechnik, wie es zum Beispiel bei elektrischen Zahnbürsten genutzt wird.
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