Renault Twizy 80: Go-Kart für die Straße
Seit März sorgt der Renault Twizy für Aufsehen in der Stadt. Aber wie macht sich der puristische Elektro-Flitzer im autonet.at-Intensivtest? Hier finden Sie es heraus.
Ab 7.690 Euro ist der Twizy 80 zu haben. Die Schwingtüren kosten 590 Euro extra.
9000 Euro, dafür hat man bis vor zehn Jahren kaum ein Auto bekommen. Mittlerweile ist das Segment der Kleinstwagen mehr als voll von wirklich guten und brauchbaren Fahrzeugen. Elektroauto war dennoch bisher keines dabei, da musste man schon mehr als das Dreifache hinblättern. Das hat sich im März mit der Einführung des Renault Twizy geändert. Aber ist der Twizy einfach nur ein witziges Fahrzeug oder zählt er zu den Besten im Kleinstwagensegment – ja ist er denn überhaupt als Auto anzusehen? All diesen Fragen, gehen wir hier im Intensivtest eines Twizy 80 Technic nach.
Federung? Welche Federung!
Heckantrieb, brutalst harte Federung, ungepolsterte Hartschalensitze, weder Servolenkung noch Bremskraftverstärker oder ABS – woran erinnert uns das? Ganz klar, an ein Go-Kart. Zugelassen ist der Twizy 80 natürlich trotzdem als Auto. Damit klärt sich zumindest von staatlicher Seite die Frage, ob der Twizy ein Auto ist. Somit braucht es nicht nur den B-Schein, um den Stromer zu bewegen, sondern wer damit auch auf die Autobahn will – ja, das darf der Twizy 80 dank einer Bauartgeschwindigkeit von 80 km/h – braucht deshalb wie jedes andere Fahrzeug, eine Autobahnvignette. Selbiges gilt für Kurzparkzonen (mit Ausnahme der Stadt Klagenfurt, wo alle E-Autos seit 2010 gratis parken dürfen!). Was uns gleich zum Thema Vandalismus bringt.
Der Twizy wird missbraucht!
Wer ganz altmodisch einen papierenen Parkschein hinter die Windschutzscheibe legt, darf sich nicht wundern, wenn ganz besonders lustige Menschen meinen, sie könnten den doch entwenden. Oder schlimmer noch, den armen Twizy als Dixi-Klo missbrauchen, denn selbst wenn man für 590 Euro Aufpreis die Schwingtüren mitgekauft hat, versperrbar sind sie dennoch nicht. Sie lassen sich ganz einfach, mit einem Griff an die innen liegenden Türgriffe, öffnen – Fenster gibt es weder für Geld noch für gute Worte. Was uns auch gleich zum nächsten Thema bringt.
Gute Wasserverdrängung
Zwar bleibt man während der Fahrt, selbst bei 80 km/h erstaunlich trocken – zumindest solange kein entgegenkommendes Auto gerade durch eine größere Lacke fährt oder ein Bauer gerade seine Felder inklusive angrenzender Straßen begießt. Lässt man ihn jedoch für längere Zeit im Regen stehen, mag das meiste Wasser durchs Loch im Fahrersitz abrinnen, die Lehne bleibt dennoch nass – weshalb ein Putztuch oder Handtuch sicherlich zur Grundausstattung jedes Twizy-Fahrers gehört. Verstaut werden kann der feuchte Fetzen anschließend in einem der beiden Handschuhfächer. Wobei sich hier das links neben dem Lenkrad befindliche empfiehlt. Das ist nämlich, im Gegensatz zum rechten (was dieses zum Aufbewahrungsort für Zulassungsschein und andere wichtige Dokumente macht), nicht absperrbar. Wer nach weiteren Stauräumen oder gar nach einem Kofferraum sucht, wird zumindest letzteres nicht finden. Kleinere Taschen und Rucksäcke können entweder direkt auf dem hinteren Sitz oder hinter dessen Lehne verstaut werden.
Guter Durchzug
Auch wenn sich der Twizy auf der Autobahn ganz gut macht, ist er definitiv ein Stadtauto. Hier sind bei gedrosseltem Gasfuß auch tatsächlich die von Renault angegeben 100 km Reichweite schaffbar. Danach muss er für rund 3,5 bis vier Stunden an eine 230 Volt-Steckdose. Tritt ins Kreuz bekommt man beim Anfahren keinen, dafür reichen die 8 kW (rund 11 PS) und 57 Nm Drehmoment einfach nicht. Für kurze Zeit, also zum Beispiel bei Zwischensprints, stellt der Drehstrom-Asynchronmotor eine Maximalleistung von 18 PS zur Verfügung. Wer diese allzu oft fordert, drückt die Reichweite auf unter 60 Kilometer.
Überschaubare Kosten
Der Einstieg in die Twizy-Welt beginnt bereits bei 6.990 Euro für den Twizy 45 Urban. Der hat jedoch ein rotes „Taferl“, läuft somit nur maximal 45 km/h schnell und darf deshalb nicht auf die Autobahn – also nicht Auto im eigentlichen Sinne anzusehen. Wir sind den stärkeren Twizy 80 in der Designlinie „Technic“ gefahren. Gegenüber den beiden anderen erhältlichen Designlinien Urban (ab 7690 Euro) und Color (ab 7990 Euro), verfügt der Technic serienmäßig über Effektlackierung in Snowy White oder wie unser Testwagen Black Pearl, Handschuhfachdeckel und Dach mit Carbon-Dekor, schwarz glanzgedrehte Leichtmetallräder, Sitzbezüge mit schwarzem Technic-Bezug, weiß lackierte Sitzschale und Armaturenbrett sowie eine weiße Umrandung der Einstiege. Gegen Aufpreis sind dann noch die wirklich empfehlenswerten Schwingtüren (590 Euro) und ein transparentes Dach (250 Euro) erhältlich. Erstere hatte – wie in der Fotostory ersichtlich – der Test-Twizy – macht einen Gesamtpreis von 9080 Euro. Wie für alle Zero-Emission-Modelle von Renault ist auch für den Twizy selbst und die gemietete Batterie eine Vollkaskoversicherung obligatorisch. Hier hat Renault mit der Allianz Versicherung einen Einheitstarif ausgehandelt. Somit betragen die zusätzlich monatlich auftretenden Fixkosten ab 88 Euro inklusive der Batteriemiete (ab 50 Euro pro Monat).
Fazit
Für die einen mag der Twizy 80 mit einem Einstiegspreis von 7.690 Euro recht teuer wirken. Verständlich, bekommt man doch für 7.490 Euro bereits einen Dacia Sandero oder 6.500 Euro den Hyundai i10 Click, beide mit Heizung, Seitenscheiben und mehr als zwei Sitzplätzen. Andererseits, kann man die knapp 8000 Euro auch schlechter investieren – in einen Segway zum Beispiel. Elektroauto fahren bleibt also auch in Twizy-Zeiten etwas für Umweltfreunde. Eines jedoch macht der Twizy richtig, er will im Gegensatz zu allen anderen Stromern kein familientaugliches Auto darstellen, das beim nächsten Urlaub sowieso daheim bleiben muss. Sondern er dient einzig dem günstigen Fortbewegungszweck in der Stadt. Apropos: Liebes Land Österreich, obwohl der Twizy mit einer Länge von 2,3 Meter gut 20 Zentimeter kürzer ist als der erste Smart Fortwo, darf er bei Längsparkplätzen nicht quer zur Fahrrichtung abgestellt werden – Frechheit!
Drucken27.07.2012 von Raphael Gürth