Fiat 500L: Die erste Sitzprobe
Charme und Schläue, Fun und Funktion: So wollen die Italiener den boomenden Markt der Microvans aufmischen. autonet.at sagt, was drinnen steckt.

Eine Allradversion des 500L scheint beschlossene Sache, ebenso wie eine siebensitzige Langversion - ihr logischer Name: 500XL.
Seinen ersten Auftritt feierte der Fiat 500L Anfang März auf dem Genfer Autosalon. Damals überraschte er vor allem mit seinen Dimensionen: Live wirkte er viel mächtiger als auf den Fotos. Eine erste Sitzprobe blieb den Besuchern allerdings verwehrt. Gemeinsam mit ein paar Handvoll europäischen Journalisten konnte Autonet.at diese Sitzprobe nun im exklusiven Umfeld nachholen: Im Centro Stile Fiat, dem Hochsicherheitstrakt des Unternehmens mitten in Turin.
Das logische Auto
Kurz zu den Eckdaten: Der Fiat 500L ist mit 4,14 Meter Länge in etwa so lang wie die meisten Microvans am Markt: Citroën C3 Picasso, Opel Meriva, Kia Venga – und genauso lang wie der Mini Countryman, an den er durch die wuchtige Front entfernt erinnert. Rein rechtlich wird der Fiat 500L ab Ende des Jahres die Nachfolge des Idea antreten, mit dem er allerdings kaum etwas gemein hat. Im Gegensatz zu dem sehr funktionell ausgerichteten Idea will der Fiat 500L „Herz und Hirn verbinden“, wie uns der Österreicher Andreas Wuppinger, Chef des Exterior Design bei Fiat, erklärt. Deswegen wurden auch das Erfolgsdesign des Fiat 500 nach allen Kräften zitiert.
Technik aus dem Regal
Motorisch bedient sich Fiat aus dem bestehenden Regal; als Hersteller mit dem geringsten CO2-Flottenemissionen bestand auch kein unmittelbarer Handlungsbedarf. Eine Neuheit gibt es trotzdem: Der Zweizylinder-Turbo namens TwinAir tritt hier erstmals mit 105 PS auf. Dazu gibt’s den 1,4-Benziner mit 100 und den 1,3 Multijet-Diesel mit 95 PS. Ein stärkerer 1,6er Diesel wurde für 2012 angekündigt.
Zwischen MPV und SUV
Erster Rundgang im Centro Stile Fiat: Wie schon am Genfer Salon sind wir von der Größe des 500L überrascht. Obwohl das Auto eigentlich kaum länger ist als ein Punto, wirkt es regelrecht imposant. Die Motorhaube liegt hoch, genauso wie die Gürtellinie des Fahrzeugs. Mächtige Radhäuser erinnern – übrigens ein bewusster Winkelzug der Designer – an die Formensprache der SUV, dazu gibt es muskulös gewölbte Flächen. Lustiger Gag: Da alle Karosseriesäulen dunkel gehalten sind und optisch mit den Fensterflächen verschmelzen, scheint das Dach auf dem Fahrzeug zu schweben. Konsequenterweise kann man es in zwei Kontrastfarben (Weiß oder Schwarz) ordern oder in Wagenfarbe belassen.
Einsteigen bitte
So, jetzt aber endlich hinein in die gute Stube. Erster Eindruck: Man sitzt in einem viel größeren Auto. Das mag am freundlichen, lichtdurchfluteten Interieur liegen oder an der großzügigen Sicht nach draußen. Ähnlich wie schon beim Citroën C3 Picasso hat Fiat nämlich die konzeptgemäß breite A-Säule in zwei kleinere Säulen geteilt, die das Auge eher ausblendet. Dadurch entsteht ein eindrucksvoller Cinemascope-Panoramablick; wer noch mehr Licht will, kann zudem das Panorama-Glasdach ordern (serienmäßig in der Lounge-Ausstattung).
Raum-Kontrolle
Dass man vorne gut aufgehoben ist, darf man in dieser Liga voraussetzen. Aber wie geht’s im Fond zu? Kurz gesagt: formidabel. Die Beinfreiheit ist exzellent, der Freiraum für die Ellenbogen ohne Tadel. Einzig mit der Kopffreiheit bekommt man ab etwa 1,85 Meter Körpergröße Probleme, wenn man das Glasdach geordert hat. Der höher angebrachte Sitz ist aber auch beabsichtigt, erklärt Wuppinger. Weil hier meist Kinder sitzen, wollte man ihnen eine bessere Aussicht schenken.
Schieben & Klappen
Variabilität ist ein Hauptgrund für den Kauf eines Vans. Was kann der Fiat in dieser Disziplin? Zum einen gibt’s (abhängig von der Ausstattung) eine um zehn Zentimeter längs verschiebbare Rückbank; sie ist im Verhältnis 1:2 geteilt und besitzt in zwei Stellungen (normal/relax) einrastende Lehnen. Will man den Laderaum vergrößern, dann klappt man im ersten Schritt die Lehnen nach vorne. In diesem Fall kann man den flexiblen Kofferraumboden in der obersten Raste einhängen und erhält damit einen ebenen Laderaum. Benötigt man mehr noch mehr Laderaum, dann kann man die Sitze auch nach vorne klappen. Kofferraumboden in die unterste Position, und wieder hat man eine durchgängig ebene Fläche. Zusätzlich lässt sich auch die Beifahrersitzlehne nach vorne klappen, damit beherrscht der 500L fast alle Kunststücke des gehobenen Transportierens.
Nettes Finish, viele Ablagen
Zurück nach vorne. Dort begegnet uns ein im Grunde recht konventionelles, aber übersichtliches und hübsch gemachtes Ambiente. Klassische Instrumente treffen auf einen großen Touchscreen mittig auf der Mittelkonsole, darunter wurden die Regler für die Klimaanlage positioniert. Brav mitgedacht hat Fiat bei den Ablagen: Es gibt ein kleines Fach fürs Handy, zwei Becherhalter und gleich drei verschiedene Handschuhfächer. Auch die Stauräume in den Türen sind großzügig dimensioniert. Die Verblendung des Instrumententrägers ändert sich übrigens je nach Ausstattung: bei „Pop“ ist sie knallig in Karosseriefarbe lackiert, bei „Easy“ wird sie mit Vinyl bezogen und bei „Lounge“ zwar ebenfalls in Vinyl, aber in einer Spezialversion, die wie Vintage-Leder wirkt.
Wie geht’s weiter?
Der Marktstart in Österreich wird Ende des Jahres erfolgen. Die Preise? Sie werden sich an den gängigen Microvans orientieren, verrät Fiat Österreich; namentlich am Opel Meriva. Darüber hinaus wird Fiat die neue B-Plattform für weitere Varianten nützen. Eine Allradversion des 500L ist anscheinend bereits fix, ebenso wahrscheinlich ist eine siebensitzige Langversion des 500L. Ihr logischer Name: 500XL. Danach ist der Weg zu einer SUV-Variante des Autos nicht mehr weit: Ein paar martialische Kunststoffplanken, die Dachreling und eine hübsche Outdoor-Lackfarbe würden dafür schon reichen. Der 500 macht also Karriere – wir freuen uns drauf.
Drucken20.04.2012 von Peter Schönlaub