Opel Ampera: Strom auf der Langstrecke
Bühne frei für das erste Elektroauto mit verlängerter Reichweite. Doch wie sinnvoll ist die neue Kombination von E- und Benzinmotor wirklich?
Magere 10.000 Stück sollen 2012 in Europa abgesetzt werden. In Österreich startet der Verkauf im Frühjahr 2012 zu Preisen ab 42.990 Euro.
Elektrisch fahren ist ja schön und vor allem gut. Aber es hat doch einen Haken: Je nach Konzept müssen wir schon nach 60, 120, 160 Kilometer an die Stromtankstelle. Und dort warten wir dann nicht nur ein paar Minuten, sondern ein paar Stunden. Reine Elektroautos sind also für Kurzstreckenfahrer gedacht; wer am Wochenende gerne einen längeren Ausflug macht, der braucht entweder ein Zweitauto – oder wartet auf den neuen Opel Ampera.
Rund 500 Kilometer – und mehr
Der Ampera ist nämlich auch ein Elektroauto, besitzt aber einen kleinen Benzinmotor an Bord, der bei Bedarf Energie zuschießt und damit die Reichweite beliebig verlängert: einen so genannten „Range Extender“. Gut, könnten Sie jetzt sagen – aber kennen wir dieses Konzept nicht unter der Bezeichnung „Hybridautos“? Nicht ganz. Bei Hybridautos geht es eigentlich darum, Sprit zu sparen. Der Elektromotor läuft nur in Ausnahmesituationen allein, meist unterstützt er den Verbrennungsmotor.
Beim Ampera ist es anders: Hier spielt der Elektromotor die Hauptrolle; man fährt immer elektrisch – auch wenn sich der Verbrennungsmotor zugeschaltet hat. Aber der Reihe nach.
E-Power
Grundsätzlich sollte es so sein, dass man die Energie aus der 16 kWh großen Li-Ionen-Batterie bezieht. Das knapp 200 Kilo schwere Trumm sitzt T-förmig sowohl im Mitteltunnel als auch unter den Fondsitzen. Diese Energiereserven reichen bei normaler Fahrweise und gemäßigten Temperaturen für gut 60 Kilometer. Wer also tägliches Arbeitspendeln in dieser Größenordnung betreibt – was angeblich auf 80 Prozent aller Europäer zutrifft –, dann steckt man abends den Stecker in die Dose und verbraucht überhaupt kein Benzin, sondern Strom im Gegenwert von rund 3,20 Euro pro 100 Kilometer. Damit kann man seine Energiekosten halbieren und – sofern man grünen Strom bezieht –, seinen CO2-Fussabdruck Richtung Null reduzieren.
Die von Opel/GM selbst entwickelte Batterie besitzt übrigens ein so ausgeklügeltes Kühl- und Heizsystem, dass man sich um deren Lebensdauer keine Sorgen machen muss. Opel gewährt darauf selbstbewusst eine Garantie von acht Jahren oder 160.000 Kilometer.
Die Reichweitenverlängerung
Wenn man dann am Wochenende etwas weitere Kreise ziehen will, ist es auch kein Problem. Nachdem man den Saft aus der Batterie gepresst hat, schaltet sich automatisch der „Range Extender“ zu – ein 1,4 Ecotec-Benzinmotor mit 86 PS. Das hört und spürt man kaum. Flüsterleise beginnt der Benziner über einen Generator Strom zu erzeugen und hilft über einen Durchtrieb auch mechanisch mit, allerdings in so geringem Maß, dass man weiterhin sagen muss: Man fährt elektrisch. Der Strom dafür wird dann freilich aus fossilen Brennstoffen gewonnen.
Wie viel man in diesem Fahrmodus verbraucht, kann Opel noch nicht beziffern, spricht aber von den Werten „einer guten Diesel-Limousine“. Berechnet man einen Verbrauch aus Benzin-Reichweite (ca. 440 km) und Tankinhalt (35 Liter), kommt man allerdings auf acht Liter je 100 Kilometer, was wenig erbaulich ist. Wer viel und lang fährt, wird also eher nicht zum Ampera greifen. Für eine Verlängerung der Reichweite in Ausnahmesituationen ist es aber wohl okay.
Elektro-Sportler
Das elektrische Fahren selbst ist eine Wucht. Der E-Motor besitzt satte 150 PS Leistung und ein Drehmoment von 370 Newtonmeter ab der ersten Umdrehung. Damit kann man in sportlichen neun Sekunden auf 100 km/h sprinten, die Höchstgeschwindigkeit wurde bei 161 km/h begrenzt. Noch viel eindrucksvoller als dieses dynamische Potenzial ist jedoch der Komfort: Der Motor reagiert im normalen Modus supersanft, dreht ganz gleichmäßig nach oben und verursacht dabei naturgemäß keine Geräusche – es ist tatsächlich das Fahrgefühl einer Zwölfzylinder-Staatslimousine. Dazu kommt noch die recht kommod ausgelegte Federung, die stufenlose Automatik und die penible Dämmung von Windgeräuschen, die auch auf die aerodynamische Karosserie zurückzuführen ist – und schon fühlt man sich im siebten Autohimmel.
Nicht groß, aber praktisch
Für den Alltag ist das Auto auch mit seinen fünf Türen und dem ausreichenden Platzangebot gerüstet. Einzige Einschränkung: Es gibt nur vier Sitzplätze. Dafür sitzt man vorne und hinten sehr bequem, im Fond können trotz der abfallenden Dachlinie Passagiere bis gut 1,80 Meter untergebracht werden. Der Kofferraum ist für ein Auto mit 4,5 Meter Außenlänge (knapp länger als Astra) eher unterdurchschnittlich, aber mit seinen 310 Litern doch brauchbar. Dafür klappen die Fondsitze einfach nach vorne und erweitern damit die Kapazitäten auf freundliche Weise und auf mehr als 1000 Liter Laderaum.
Keine Knöpfe mehr
Der Instrumententräger wirkt auf den ersten Blick recht konventionell–dann erst bemerkt man, dass auf der Mittelkonsole fast keine Regler und Knöpfe zu finden sind – man steuert die Funktionen über berührungsempfindliche Oberflächen. Nach einer kurzen Einschulung hat man’s aber rasch kapiert. Auch die zunächst verwirrenden Anzeigen am Cockpit und am mittigen Bildschirm erschließen sich dann logisch; wie bei Öko-Autos gewohnt geht es hauptsächlich um das Überwachen des eigenen Fahrstils und die Motivation, möglichst effizient unterwegs zu sein. Opel hat auch die Regulierung der Klimaautomatik – einer der größten Stromverbraucher an Bord – miteinbezogen. Und noch ein nettes Detail: Die mächtige Bose-Soundanlage mit acht Lautsprechern verbraucht nur halb so viel Energie wie vergleichbare Anlagen. Beides – also Klimaautomatik und Bose – sowie das Navi sind im Basispreis von 42.990 Euro noch nicht enthalten; die Lederpolsterung kurioserweise schon.
Resümee: Teuer – aber es wirkt
Auch mit verlängerter Reichweite ist der Opel Ampera kein Auto für jedermann. Man muss ins Anwenderprofil passen, heißt es. Wer also oft lange Strecken fährt, wird das Sparpotenzial nicht ausnützen und mit einem braven Diesel besser bedient sein. Wer sich jedoch regelmäßig im 60-Kilometer-Fenster bewegt, bekommt mit dem Ampera eine smarte, technisch ausgereifte Lösung, die neben dem Umwelt-Bonus auch die hohe Schule der Fahrkultur zelebriert. Und vor allem: alle Ängste vor dem elektrischen Verhungern zerstreut. Das Hightech-Paket muss einem allerdings einen ordentlichen Aufpreis wert sein: Um 42.990 Euro bekäme man schließlich als Alternative einen deutlich größeren, luxuriös ausgestatteten Insignia mit sportlich-effizientem Dieselmotor und modernen Assistenzsystemen wie die intelligenten Scheinwerfer oder die Verkehrszeichenerkennung. So schätzt Opel die Verkaufszahlen auch nicht allzu hoch ein: magere 10.000 Stück will man 2012 in Europa unter die mutigeren Öko-Driver bringen. Österreich gehört zur zweiten Welle des Verkaufsstarts und ist ab nächstem Frühjahr dabei.
Drucken04.07.2011 von Peter Schönlaub