VW Jetta 1,6 TDI: Patient geheilt
Der hierzulande jahrelang vor sich hinkränkelnde Jetta hat einen kerngesunden Nachfolger. autonet.at ist den neuen Wolfsburger mit dem sparsamen aber dennoch flotten 1,6 TDI testgefahren.

VW gibt dem Jetta eine weitere Chance, sich auf dem europäischen Markt zu etablieren.
Beim neuen Jetta hätten es die Herren und Damen Fahrzeugkonstrukteure in Wolfsburg eigentlich recht einfach gehabt. So erfolglos wie der Vorgänger hierzulande (aber auch in Deutschland) war, kann eine Neuauflage ja nichts anderes als ein vergleichsweiser Renner werden. Insofern hätten wahrscheinlich ein paar kosmetische Retuschen, die Bestückung mit aktuellem Motor- und Getriebeportfolio und ein flotter Werbespruch genügt, um die mauen Verkaufszahlen des Vorgängers locker zu überflügeln. Damit wollen und können sich die Niedersachsen allerdings nicht zufrieden geben. Immerhin gilt es, eines der letzten in Europa stückzahlenmäßig nicht funktionierenden Modelle des Konzerns auf gewohnten Erfolgskurs einzuschwören.
Daseinsberechtigung
Alles, was dem alten Jetta/Vento/Bora/Jetta ans Zeug geflickt wurde, ist nun beim Neuen Makulatur. Als liebloser Limousinen-Aufguss des Golf kann er wahrlich nicht mehr bezeichnet werden. Auch das Problem, dass man bei den Vorgängern nie genau wusste, wohin mit ihnen, gibt es beim neuen Jetta nicht mehr. Selbstbewusst zwängt er sich zwischen Golf und Passat, was ihm per se schon eine Daseinsberechtigung beschert. Wer nun aufsteigen will, muss nicht gleich, wie bisher, zwei Sprossen auf einmal nehmen. Daran, dass er in Mexiko vom Band läuft, mag man in früheren Jahren vielleicht Anstoß genommen haben. In Zeiten der Globalisierung und in Zeiten, in denen auch High-Fidelities wie Q7 und Touareg längst nicht mehr auf deutschem Boden gefertigt werden, findet Derartiges keine Beachtung mehr.
Tugendhaft
Und so bequemt man sich in den Jetta und lenkt und denkt sich nach einiger Zeit: ist kein Kombi, ist kein SUV, ist kein Van und doch vermisst man nichts. So angenehm wenig Eindruck dieses Auto von außen schindet, so unauffällig und vor allem unaufdringlich dient es sich seinen Inbetriebnehmern an. Und das tut gut. Mal endlich einer, der nicht ständig seine Tugendhaftigkeit wie einen Bauchladen vor sich herträgt. Mal endlich einer, der seine Professionalität wie selbstverständlich zur Verfügung stellt. Und so ist man am Steuer des Jetta zufrieden und weiß eigentlich ohne eingehende Reflexion nicht so recht warum.
Es muss nicht immer Kombi sein
Da ist zum einen der Kofferraum: Ohne, dass es den augenscheinlichen Eindruck macht, wird man im Alltag selten an seine Ladegrenzen stoßen. Alles, was gemeinhin in einen Kombi verstaut werden kann, passt auch in das Jetta-Pürzel. Nach dem 52. Ladevorgang beginnt man sich die Frage zu stellen, warum in aller Welt alle glauben, mindestens einen Kombi zur Bewältigung ihrer familientransporterischen Belange zu brauchen. Auch gut: ist mal nichts zu dislozieren, schleppt man auch keine unnötigen Kubikmeter Luft mit sich herum. Es ist ja nun nicht so, dass VW die Limousine nun neu erfunden hätte. Allerdings sind es sehr wohl die Wolfsburger, die diese Aufbauform für diese Klasse revitalisieren.
Flotter Sparer
Sich von hinten nach vorne tastend, sind es die guten Platzverhältnisse im Fond und das Golf-bewährte Cockpit, die noch einer Erwähnung wert wären, bevor wir den 1,6-l-TDI in Betrieb nehmen und feststellen, dass akustisch hier ganze Arbeit geleistet wurde. Die 105 PS sind für die rund 1.300 Kilo schwere Limousine fein bemessen, zumal der Vortrieb dank 7-Gang-DSG nahezu verzögerungsfrei vonstatten geht. Gefühlsmäßig sind es weniger als die im Datenblatt angeschlagenen 11,7 Sekunden, die der Sprint auf 100 dauert. Den Sport-Modus braucht es so gut wie nie. Das schönste an der ganzen Sache aber sind die 5,6 Liter, die sich der mit Start-Stopp-System ausgestattete Commonrailer auf 100 in der Stadt gefahrene Kilometer zu Gemüte führt. Und das ganz locker, ohne dem Fahrer dabei an effizienzoptimierter Fahrweise allzu viel abzuverlangen.
Fazit
Der Jetta reicht seine Tugenden auf stille und unprätentiöse Art und Weise dar. Das macht ihn einerseits sehr sympathisch. Andererseits bräuchte es doch eine gewisse Lautstärke, um den Österreicher die Limousinenform im gehobenen Kompaktsegment schmackhaft zu machen. Wer sich darauf einlässt, wird nämlich sehr schnell sehen, dass es nicht immer ein Kombi sein muss. Preislich bewegt sich der neue Jetta genau dort, wo er hingehört: Genau zwischen Golf und Passat. In unserem Fall waren es 29.446 Euro, die zur Überweisung für den 1.6 TDI Highline anfielen.
Drucken16.05.2011 von Christian Zacharnik