VW Amarok TDI 4x4: Der Volksheld
Der Amarok reiht sich ein in die Liste der härtesten Fahrzeuge dieser Welt: Starrachse, Blattfedern, Leiterrahmen und zu 100 Prozent sperrbares Differenzial. Wir sind den Brutalo gefahren und sind ihm verfallen.
Deutschlands härtester Mann, der Amarok, im autonet.at-Intensivtest.
Eines muss man mir einmal erklären: Warum zur Hölle lackiert man die Ladefläche eines Pick-up in Wagenfarbe? Damit Piloten einen netten Ausblick haben? Außer denen sieht das nämlich keiner, so hoch wie der Amarok ist. Der usability, wie das im Neudeutsch heißt, ist das nämlich ganz und gar nicht zuträglich. Wenn man Schweißausbrüche bekommt, nur wenn es mal gilt, ein Fahrrad zu transportieren, ist das nämlich gar nicht cool. So ein Auto kaufe ich mir ja, damit ich den Ladeboden nicht feinsäuberlich mit einer Decke schützen muss. In meinen Fall stand sogar nur eine alte, rosafarbene Decke zur Verfügung, weil meine Frau mir verbot, das Kamelhaarplaid zu nehmen. Peinlich. NEIN! Mit so einem Auto will ich ohne Rücksicht auf Verluste huckepack nehmen, was gemeinhin so huckepack genommen werden muss im Leben. Und das sind bekanntlich nicht immer nur Wattebällchen. Natürlich kann man gegen einen Aufpreis von 519 Euro eine Riffelblechladeraumauskleidung, oder gegen 249 Euro eine aus Kunststoff erstehen. Aber so ein Auto sollte eigentlich von der Stange weg gegen alle Widrigkeiten des harten Alltags gerüstet sein - ein Pick-up eben!
Alles halb so schlimm
Und das ist er ja fürwahr, der Amarok. Von 0 auf 100 haben die Wolfsburger da einen Vertreter dieser toughen Zunft aus dem Boden gestampft, der den Alphatieren in diesem Segment zumindest auf Augenhöhe entgegentritt. Die Südstaatenflagge und Riffle am Heckfenster stünden auch dem Niedersachsen ganz gut. In diese Verlegenheit kommt man dann aber in hiesigen Breitengraden for heavens sake doch recht selten. Und so schiebt man sich durch Smallville und reißt anfänglich doch eine Panik auf. Wohin mit dem Gerät, was tun, wenn man wenden muss. Was? Parkpiepserl gibt’s auch keines? Und dann noch mit Anhängerkupplung! In Gedanken sieht man sich schon eine Spur der Verwüstung durch Wien ziehen. Am Ende war es dann wie so oft im Leben: Alles halb so schlimm.
Kopfverdrehen
Klar, um den einen oder anderen Alz ist der Amarok für städtische Belange vielleicht doch zu überdimensioniert. Choleriker wie meiner einer sollten es vermeiden mit dem Ding auf Parkplatzpirsch zu gehen. In Fahrt aber erstaunt der Hüne mit fast so etwas wie Behändigkeit. Der Wendekreis reicht und die Übersicht ist überraschend gut. Man weiß wo der Amarok anfängt und wo er aufhört, auch wenn sich beide Pole in einiger Entfernung befinden. Sehr hilfreich bei Manövrierarbeiten sind die A4-großen Außenspiegel. Der Nachteil: Um diese „Wascher“ anzuklappen braucht es Kraft. Eine Sozia, die ich bat, das auf ihrer Seite zu tun, verglich das treffend wie folgt: „Das fühlt sich an, als ob ich jemandem den Kopf verdrehe.“ Autsch.
Erstaunlich komfortabel
Blattfedern, Starrachse, Leiterrahmen: Selbst im 21. Jahrhundert fällt einem hoch innovativen und die Technikführerschaft beanspruchendem Hersteller wie VW nichts Besseres ein. Dann muss es wohl so sein: Nichts anderes gehört in ein solches Arbeitsgerät. So unverwüstlich wie das Fahrwerk tatsächlich ist, fühlt es sich auch an und animiert dazu, vor Temposchwellen noch einmal Gas zu geben. Da macht man sich eher um sie sorgen. Herrlich jedenfalls, so unbedarft und doch so komfortabel durch die Gegend zu kutschieren. In der Doppelkabine geht einem nichts ab, so, wie in unserem Fall, die Topausstattung Highline gewählt und einige weitere Optionen hineinreklamiert wurden. Dann sitzt man auf beheizbaren Lederfauteuils, in wohnlicher und klimatisierter Atmosphäre. Dass der Amarok dann doch ein ausgemachter Kerl fürs Grobe ist, lässt sich an der durchgängigen Verkleidung aus hartem Kunststoff ausmachen.
Alles, was ein Schwerarbeiter braucht
Permanenter Allradantrieb und zu 100 Prozent sperrbares Differenzial sollte Argwöhnern, die vermeinen, VW schuf hier einen Lifestyle-Pick-up, vollends mundtot machen. Derart bestückt, kann der Amarok mit den Legenden der mehrspurigen Hakler a la Defender in trauter Eintracht gen lebensfeindliche Gefilde wackeln. Da dort bekanntermaßen das Tankstellennetz etwas weniger dicht ist, freut man sich über die Möglichkeit, den Amarok mittels 163 PS starkem 2-l-Diesel sowohl kraftvoll als auch effizient bewegen zu können. 9 Liter waren es im Testbetrieb, den wir ausschließlich in der Stadt absolvierten. Dass, um hier das Thema Lifestyle noch einmal aufzunehmen, der Amarok in Hinkunft mit Sicherheit von Zeigefreudigen als Vehikel herangezogen wird, lässt sich wohl nicht verhindern. Da befindet ist er sich aber wiederum mit dem Defender in bester Gesellschaft.
Drucken28.04.2011 von Christian Zacharnik