Mercedes E 250 CGI Cabrio: Offenbarung
Was bleibt, wenn alle negativen Seiten des Offenfahrens eliminiert werden? Antwort: Das neue Mercedes E-Klasse Cabrio. autonet.at hat den edlen Freiluft-Stuttgarter in der 250 CGI-Version mit 204 PS starkem Direkteinspritzer intensivgetestet. Warum wir am Schluß doch noch weinen mussten, lesen Sie hier
Edles Cabrio-Geblüt aus Stuttgart: der E 250 CGI im großen autonet-Intensivtest.
Cabriofahren. Das ist so eine Sache. Im Prinzip gibt es ja nichts Verzichtbareres. Ist´s kalt, gibt´s nichts Feineres als ein kuscheliges Dach über dem Kopf. Ist´s heiß, gibt´s nichts Feineres als einen Schatten spendenden Schattenspender. Hat man es eilig, wird man den Teufel tun, die Zeit zu erübrigen, das Dach zurückzuklappen - so man nicht in einem Mazda MX5 sitzt, wo das im Bruchteil einer Sekunde erledigt ist. Hat man Zeit und eine lange Reise vor sich, sind zum einen die witterungsbedingten Unwägbarkeiten zu groß, sodass man das Dach prophylaktisch zu lässt. Zum anderen ist bei ausgedehnten Fahrten in der Regel einem vermehrten Gepäcksaufkommen zu rechnen, dem ein in den Kofferraum versenktes Dach nur im Weg steht. Dazu kommt auch noch, dass die Zugluftkompatibilität mit fortschreitendem Alter sukzessive abnimmt. Das nicht nur, weil man sich rasch ein steifes G´nack einfängt, sondern auch, weil graumelierte Endvierziger oder auftoupierte Fiftysomethings in einem Cabrio, verzeihen Sie bitte, einen etwas affigen Eindruck machen. Aber auch jüngere Verkehrsteilnehmer wirken in einem Cabrio oftmals so, als ob sie es eher darauf anlägen, das Umfeld zu beeindrucken, denn mit allen Sinnen dem Freiluftspaß zugewandt zu sein.
Reich und schön, aber nicht vulgär
So, und nun sind wir das neue E-Klasse Cabrio gefahren, infolge dessen es einige der obigen, zugegebener Maßen, mieselsüchtigen Punkte zu revidieren gilt. Rollen wir das Feld von hinten auf: Die E-Klasse ist ein Cabriolet bar jeglicher pubertärer Anwandlungen. Am Steuer dieses Fahrzeugs kommt man nie in den Geruch des schnöden "Posertums" - da sei die überaus distinguierte Eleganz des "Convertible" davor. Erwachsener und seriöser lässt es sich nicht offen fahren. Die Gefahr, der Berufsjugendlichkeit bezichtig zu werden, ist hier eine denkbar geringe. Klar, dieses Auto richtet schon einen Spotlight auf die pekuniäre Potenz seines Eigners. Aber was soll´s: nicht überall auf dieser Welt wird offensichtlichem Wohlstand mit einer derartigen von Neid genährten Missgunst begegnet wie in Österreich.
Vom Winde verschont
Zerzauster, durch den Windwolf gedrehter Menschen wird man im E-Cabriolet selten ansichtig werden. Der gesteigerten Zugkluftempfindlichkeit gesetzterer Klientel wurde mit Feinheiten, wie etwa dem Aircap (924 Euro Aufpreis) im Rahmen der Windschutzscheibe Rechnung getragen. Per Knopfdruck entfährt der Querverstrebung des Windschutzscheibenrahmens ein kleiner Spoiler, der den Luftzug elegant über die Fahrgastzelle hinwegleitet und vom Windschott zwischen den Fondkopfstützen am verwirbeln gehindert wird. Sind dann auch noch alle vier Seitenfenster hochgefahren, herrscht – zumindest in der ersten Sitzreihe - fast schon gespenstische Flaute. Hinten ist´s dann naturgemäß schon etwas zugiger.
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Schotten dicht
Wird´s witterungstechnisch dann doch etwas unwirscher, stehen als erste Gegenmaßnahme einmal der so genannte Airscarf parat: aus in die vorderen Kopfstützen integrierte Lüftungsdüsen ergießt sich auf Knopfdruck und gegen Bezahlung von rund 600 Euro ein wohligwarmer (oder auch erfrischend kühler) Luftstrom in den Nacken von Fahrer und Beifahrer. Wird es dann zusätzlich, auch noch feucht, hilft´s nichts mehr, dann muss letztendlich doch das Verdeck als Kompensation für die Unbill herhalten. Aber keine bange, stehen geblieben muss deswegen nicht gleich werden: Der Schließmuskel funktioniert bis Tempo 40. Ist es dann mal zu, was nicht länger als 20 Sekunden dauert, gibt es zweierlei zu bemerken: Erstens sperrt das dick wattierte Verdeck Umgebungslärm in einer Effektivität aus, die eines Hardtops mehr als würdig ist. Zweitens nimmt die Optik des E-Klasse Cabrios keinerlei Schaden, werden die Schotten dichtgemacht. Und an dieser Stelle wollen wir der Unumstößlichkeit noch einmal explizit Ausdruck verleihen: nur ein Stoffverdeck gewährleistet eine derart stimmige Integration des Dachs ins Gesamtbild eines Cabriolets.
Schlüssiger Antrieb
Mit dem 250 CGI versah der zweitkleinste im Portfolio des E-Klasse Cabriolets zur Verfügung stehende Benziner in unserem Testwagen seinen Dienst. Die Nomenklatur ist dabei etwas irreführend: Der Hubraum misst nicht, wie suggeriert, 2,5, sondern 1,8 Liter. Ein Zeichen von Schwäche ist das aber mitnichten. Die von der formidablen 5-Gang-Automatik gemanagten 204 PS des aufgeladenen Direkteinspritzers bringen den 1,7-Tonner rasch auf Touren. Das über einen weiten Bereich (2.000 bis 4.300 Touren) zur Verfügung stehende Drehmoment von 310 Newtonmetern sorgt dafür, dass der Benz stets fein am Gas hängt. Wird dem nicht allzu sehr Rechnung getragen, peilen sich die Verbrauchswerte im Schnitt bei knapp unter 10 Liter ein.
Steif und fest
Punkto Verwindungssteifigkeit und Straßenlage gehört das E-Cabriolet zu den Vertretern der Referenzklasse im Segment. Selbst forsch überfahrene Straßenschweller zeitigen keinerlei Vibration oder wie immer geartete dissonante Geräusche. Auf der Autobahn ist das Cabriolet, wie seine festbedachten Modellkollegen ein Ausbund an Ruhe und Gelassenheit. Wie sang schon Pipi Langstrumpf: „So will ich immer reisen . . .“ Nicht ganz revidieren können wir in diesem Zusammenhang (Reisen, und so) Punkt fünf der im ersten Absatz aufgelisteten Vorhaltungen: bei geöffnetem Verdeck reduziert sich der Gepäckraum von wohlfeilen fast 400 auf 300 Liter.
Fazit
Dem oben Gesagten gibt es im Prinzip nicht mehr viel hinzuzufügen. Vielleicht noch die leidige Sache mit dem Preis: Das von uns gefahrene Modell, der 250 CGI , will mit 56.770 Euro beim Händler ausgelöst werden. Lässt man neben Feinheiten wie Airscarf, Aircab, Ledersitze, Navigation auch noch Parktronic, Komfortsitze, Spiegel- und Lichtpaket implantieren, sind noch mal runde 20 Flocken zu addieren. Ergo: Weinenden Auges müssen wir wieder einmal von der Absicht der Anschaffung Abstand nehmen.
Drucken16.09.2010 von Christian Zacharnik