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Porsche Boxster Spyder: Intensivtest

Kein Radio. Keine Klimaanlage. Keine Türschnallen. Kein richtiges Verdeck. Autonet.at fährt den Porsche für Puristen und klärt die Frage, ob weniger tatsächlich mehr sein kann.

zur Fotoshow
Wir behaupten hier an dieser Stelle: Mehr Spaß als mit dem Porsche Boxter Spyder kann man derzeit mit keinem anderen Auto haben.  
Dass der Boxster alles andere als ein Damenporsche ist, hat sich längst herumgesprochen. Wer heute noch daran festhält, ist entweder ein unverbesserlicher Neider oder fährt selbst einen 911. Also, Leute: Seit der zweiten, aktuellen Generation ist der Boxster ein ernstzunehmender Sportwagen: agil, leichtfüßig, gut balanciert und mit ausreichend Kraft, um dem Asphalt einen Scheitel zu ziehen.
Weil aber offenbar die Vorbehalte doch tiefer sitzen, legt Porsche nun einen weiteren Scheit ins Feuer und zieht einen von Mythen umrankten Namen aus der Schublade: Spyder. Mit diesem Namen sind spektakuläre Rennautos, unzählige Siege und leider auch ein höchst unglückliches Zusammentreffen zweier Legenden verbunden. Man erinnert sich, James Dean verunfallte in einem 550 Spyder. Dennoch – oder gerade deswegen: In der Hall of Fame der Porsche-Geschichte stehen Spyder für das Besondere, das Rare, die Extraportion Sportlichkeit.

Große Fußstapfen
Der neue Boxster Spyder hat demnach die Last der Geschichte auf seinen Schultern zu tragen – was ihm völlig unverkrampft gelingt. Von Schwere keine Spur, ganz im Gegenteil, der Umgang mit der Tradition passiert hier mit spielerischer Leichtigkeit. Und das darf man ruhig wörtlich nehmen. Die Basis des neuen Spyder ist der Boxster S. Gegenüber dem bisherigen Topmodell wurde aber das Gewicht um 80 Kilo gesenkt und die Leistung um 10 auf 320 PS angehoben. Mit einem Eigengewicht von schlanken 1275 Kilo ist der Spyder nun der leichteste Porsche im aktuellen Modellprogramm.

Abspecken um jeden Preis
Wie diese 80 Kilo eingespart wurden, das macht einen großen Teil des Reizes am Spyder aus. Rund 18 Kilo gehen auf das Konto der Türen und der großen Heckklappe, die hier aus Alu bestehen. Weitere 12 Kilo steuern die Sportsitze bei, dank ihrer (nicht verstellbaren) Schalen aus Karbon. Und einen weiteren großen Brocken macht das neue Dach aus – dazu gleich mehr. Der Rest des Weightwatchens besteht einfach aus Verzicht. Serienmäßig gibt es hier keine Klimaanlage, kein Radio, keine Abdeckung über den Instrumenten, keine Ablagen in den Türen, ja, nicht einmal richtige Türschnallen, sondern rote Schlaufen.

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Das Verdecklein
Das Dach selbst nennt Porsche ein „Sonnen- und Wettersegel“. Um es zu montieren oder demontieren benötigt es eine kleine Einschulung und einige Arbeitsschritte. Besser, wenn man dabei zu zweit ist, sonst marschiert man im Zuge der Verwandlung fünf Mal ums Auto. Hat man das System erst begriffen, funktioniert es aber mit bundesdeutscher Präzision und Genialität. Der Vorteil: das Dach wiegt nur sechs Kilo und verschwindet klein zusammengerollt in speziellen Aufnahmen unter der Heckklappe. Außerdem erlaubt das Sonnensegel die üppige Ausprägung zweier Hutzen auf der hinteren Klappe, was dem Boxster speziell in der Seitenansicht einen völlig neuen Charakter verleiht. Die Nachteile: mit aufgesetzter Kapuze ist die Höchstgeschwindigkeit auf 200 km/h limitiert, Einfahrten in eine Waschstraße sind generell verboten. Die Lärmdämmung ist praktisch nicht existent. Das Dach ist eben eine Notlösung, denn eines ist klar: Spyder fährt man offen.

Nicht so heiß gegessen wie gekocht
Bevor wir nun endlich wegfahren, muss noch ein kleiner Einschub gemacht werden. Die Verzichtserklärung des Fahrers ist zwar konzeptmäßig vorgesehen, aber nicht in Stein gemeißelt. Wer lieber doch die Lehnen der Sitze verstellen will, kann ohne Aufpreis die regulären (aber schwereren) Sportsitze bestellen. Ebenso kann ohne Aufpreis ein Radio oder gegen saftige 3381 Euro sogar das komplexe PCM-Infomationssystem mit Navigation angekreuzt werden. Unser Spyder hatte sogar eine Klimaautomatik, das Telefonmodul, eine Einparkhilfe und vieles mehr an Bord. Das pervertiert natürlich die Schlichtheit der Türschlaufen, vergoldet aber den Alltag mit Goodies, an die man sich halt längst gewöhnt hat. Man sieht also: Die scharfe Suppe muss nicht ganz so heiß gegessen werden, wie sie serviert wird.

Gepfeffertes Ambiente
Doch dass das Gericht in jedem Fall scharf ist, das steht außer Zweifel. Schon beim Einsteigen grüßen die formidablen Schalensitze mit ihren griffigen Alcantara-Bezügen. Sie zwingen dich in eine stramme, aber keineswegs ungemütliche Haltung – und umklammern dich wie eine Boa constrictor. Besser kann man in einem Sportwagen nicht sitzen. Die roten Gurte bilden gemeinsam mit den Türschlaufen und den Nadeln der Instrumente ein Triumvirat der Sportlichkeit, außen ergänzt durch rote Bremssättel und zwei rote Bügel auf der Heckklappe, die der Fixierung des Dachs dienen. So sehr im Innenraum auch das Streben nach Verzicht merkbar ist – was uns Porsche übrig gelassen hat, ist in seiner Materialqualität, im Design und in der Verarbeitung weiterhin fantastisch. Und damit drehen wir endlich den Zündschlüssel um.

Den Sport-Asketen in Bewegung erleben Sie auf Seite 3

Powerplay
Druckvoll, harmonisch, souverän: Der bekannte Boxermotor ist auch in der etwas zugespitzteren Auslegung des Spyder eine Wucht und ein perfekter Antrieb für die Liebhaber der forcierten Gangart. Schlichtweg sensationell – und sogar weit besser gelungen als im 911 – funktioniert die Zusammenarbeit mit dem Siebengang-Porsche-Doppelkupplungsgetriebe (PDK). Es kostet zwar rund 3000 Euro Aufpreis aufs manuelle Sechsganggetriebe, ist aber dringend zu empfehlen. Bei normaler Fahrweise schaltet es so sanft wie bei einer Limousine. Drückt man die Sporttaste (dazu muss man allerdings das „Sport Chrono Plus Paket“ um 1418 Euro gekauft haben), dann werden die Gangwechsel schneller und forscher, das Porsche Stability System wird toleranter, das Ansprechverhalten des Motors direkter. Man kann aber noch ein Schäuferl drauflegen: Mit Drücken der Taste „Sport Plus“ hat man immer den passenden Gang fürs schnellste Weiterkommen eingespannt (im Alltag völlig zum Vergessen) und kann auf die so genannte Launch Control zugreifen. Damit schafft es wirklich jeder, in 4,8 Sekunden auf 100 km/h zu beschleunigen; ob das Herz dabei in die Hose rutscht und die gnädige Frau lauter brüllt als der Motor, das steht freilich in einem anderen Kapitel.

Die feine Klinge
Über zu wenig Leistung braucht sich also niemand zu beklagen. Die wahre Stärke des Boxster Spyder liegt aber nicht im Freisetzen von Urgewalten, sondern in der wunderbaren Balance und Beweglichkeit des Fahrzeugs. Schon Boxster und Boxster S sind in dieser Disziplin wahre Könner. Mit einem nochmals um 20 Millimeter abgesenkten Fahrwerk, verbreiterten Spuren und dem verringerten Gewicht erhebt sich der Spyder aber nun zum Meister der schnellen Kurven. Seine extrem steife Karosserie, das superb abgestimmte Fahrwerk und die gute Achslastverteilung dank Mittelmotor machen den Spyder zu einem Sportler, dem man auf einer Bergstraße wenig entgegensetzen kann. Erst recht wird man mit einem 911 Carrera chancenlos sein, zumal der Spyder schon serienmäßig mit einer Hinterachsquersperre ausgerüstet ist. Damit verbessert er die Traktion und erneut seine Performance.

Sportgerät für Sonntagsfahrer
Auf bekannt hohem Porsche-Niveau agieren die Bremsen – mächtige Scheiben und Vierkolben-Monobloc-Aluminiumsättel. Gegen einen saftigen Aufpreis von 9300 Euro lässt sich auch die Keramik-Bremserei bestellen, was trotz der guten Serienanlage verlockend ist; dieses Best-of aus der Welt der Verzögerung würde einfach gut ins sophistische, ausgereizte Umfeld passen. Und noch ein paar Spielereien stehen für Freaks bereit: etwa die Sportabgasanlage um knapp 2500 Euro. Sie beschert uns einen weiteren Knopf auf der Mittelkonsole und viel Freude bei dessen Betätigung: da schwillt der Sound zur Klangwelle an, wird tief und mächtig, sinnlich und prächtig; vielleicht ein bissl zu laut für die engen Gassen der Stadt, aber eine große Oper in den einsamen Kurven des Lebens. So will man auch in keinem anderen Auto als dem Spyder sitzen –die dramatischen Töne sind viel zu schade, um durch ein Dach gefiltert zu werden.

Das Resümee
Der Boxster Spyder ist das ultimative Fitnessgerät für speedige Connaisseure. Kein PS-Protz oder Showcar, sondern ein hoch entwickelter, sehniger, feinnerviger Sportwagen. Dass man einerseits Einbußen im Alltag in Kauf nehmen muss, wird andererseits durch eine Aufwertung des Designs, noch mehr Agilität und eine Extraportion Exklusivität mehr als wett gemacht. Darüber hinaus bekommt man mit dem Spyder auch eine prominente Bezeichnung, die den Boxster flugs in eine fabriksneue Legende verwandelt.

Drucken09.09.2010 von Peter Schönlaub

 

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