Audi R8 Spyder 5,2 FSI: Windstärke Zehn
Bitte anschnallen: autonet.at fährt den 525 PS starken, 313 km/h schnellen Sonnenanbeter mit zehn Zylindern und vier Ringen.
Italienische Sportlichkeit und deutsche Gründlichkeit - ab rund 200.000 Euro beginnt das Vergnügen im Audi R8 Spyder 5,2 FSI.
Sonnenringe sind ein Phänomen, das in Nordeuropa durchschnittlich ein Mal pro Woche zu beobachten ist. Aber dass die Sonne jetzt gleich mit vier Ringen auf einmal konfrontiert wird, das ist eine genauere Untersuchung wert. Vor allem, wenn die vier Ringe auf einer dermaßen reizvollen Verpackung thronen: einer extrabreiten, flachen, muskulösen Karosserie – dem Audi R8 Spyder.
Gänsehaut und Herzklopfen
Schon der erste Anblick macht klar, dass wir uns in der Liga der außergewöhnlichen Gentlemen bewegen. Die mächtigen Lufteinlässe an der Front und an den Seitenflanken, die riesigen Felgen mit walzenartigen Gummis und nicht zuletzt das bullige Heck mit den zwei gerippten Lufthutzen deuten auf die immense Kraft, die hier auf alle vier Räder losgelassen wird: 5,2 Liter Hubraum verteilt sich auf zehn Zylinder, daraus wird unter Beihilfe einer Direkteinspritzung (FSI) eine Leistung von 525 PS und ein Drehmoment von 530 Newtonmeter destilliert. Genug für abenteuerliche Fahrwerte: In nur 4,1 Sekunden pfeilt der Audi auf 100 Stundenkilometer, dann könnte man bis 313 km/h voranschreiten – zumindest wenn es nach dem R8 Spyder geht. All diese Eckdaten münden in einen Preis, der ebenso respekteinflößend ist. Die Liste beginnt knapp unter 200.000 Euro. Inklusive des strengstens empfohlenen Getriebe „R tronic“ unseres Testautos kommt man auf exakt 207.470 Euro – ohne Extras. (Kleiner Tipp für Sparer: Seit kurzem gibt es den Spyder auch als 4,2 FSI mit 430 PS ab 151.900 Euro.)
Rasch und röhrig
Viel Holz macht aber viel Feuer, könnte man in der Sprache unserer Vorfahren sagen. In diesem Fall lodern die Flammen der Leidenschaft schon beim ersten Druck auf die Starttaste. Der Zehnzylinder mit seinen italienischen Wurzeln bei der Konzerntochter Lamborghini bellt räudig auf, so als wolle er gleich akustisch sein Revier markieren. Um den ersten Gang einzulegen, gibt’s mehrere Möglichkeiten. Am einfachsten wird’s, wenn man dem Automatikmodus des Getriebes vertraut, was keine schlechte Idee ist. Später kann man in den manuellen Modus wechseln, wo man entweder über den hübschen, kleinen Aluminium-Hebel in der Mittelkonsole oder via Schaltwippen hinter dem Lenkrad aktiv werden kann. So oder so: Beim Stop-and-Go in der Stadt wird spürbar, dass man mehr in einem Renn- als einem Sportwagen unterwegs ist. Erst auf der Landstraße flutschen die Gänge ruckfrei ins Sechsganggetriebe, zur Freude und Erbauung aller Beteiligten. Das gilt auch beim Zurückschalten, wo die automatische Zwischengas-Funktion steil aufgerichtete Nackenhaare verursacht. Die Abläufe lassen sich durch das Aktivieren des Sportmodus auch nochmals verschärfen: Schnellere Schaltzeiten, höheres Ausdrehen der Gänge, aggressiveres Zwischengas sind der Lohn.
Über die akustischen Vorzüge des offenen R8, die Meisterleistungen des Fahrwerks und die vorzügliche Ausstattung, lesen Sie auf den folgenden Seiten.
Obdachlos
Um dem Sound nun noch besser nachzuspüren, wird’s endlich Zeit, das Dach loszuwerden. Das geschieht mit Audi-typischer Perfektion und einfach per Knopfdruck: In 19 Sekunden faltet sich das aufwändige Stoffdach unter die große Abdeckung, die ja eigentlich auch ein Teil der Motorhaube ist; die beheizbare Glas-Heckscheibe wird wie eine Seitenscheibe nach unten gezoomt. Ist alles erledigt, dann kommt die flache Linie und die Mächtigkeit des Hecks mit aller Wucht zur Geltung, vor allem aber schafft es die Akustik des Zehnzylinders noch besser, sich den Weg durch unsere Gehörgang zu bahnen und die kleinen grauen Zellen mit Heavy-Metal-Sound zu bespielen.
Wind nach Maß
So perfekt wie die Dachkinematik ist auch die aerodynamische Gestaltung des Spyder. Zusätzlich zu den Seitenscheiben kann man auch die Heckscheibe wieder manuell nach oben fahren; letztere dient dann als Windschott. Will man weit über der erlaubten Autobahngeschwindigkeit gemütlich reisen, dann empfiehlt sich zusätzlich die Montage des optionalen, netzartigen Windschotts. Das geschieht mit zwei Handgriffen und befreit den Innenraum bis 200 km/h von allen Turbulenzen. Die vom Dach unabhängig bedienbare Heckscheibe ermöglicht übrigens auch eine reizvolle Semi-Cabrio-Position: Dach oben, Scheibe unten. Die Ohren freut’s.
Leichter Fuß
Der Sound mag nach Heavy Metal klingen – das Fahren vollzieht sich aber in einer andern Tonart. Dank des Aluminium Space Frame und vielen Karosserieteilen aus CFK (mit Kohlefaser verstärkter Kunststoff) bleibt das Gewicht des Audi mit 1800 Kilo vergleichsweise moderat. Dazu kommt die Einbaulage des Zehnzylinders als Mittelmotor, ein auf Agilität getrimmtes Fahrwerk und natürlich der quattro-Antrieb mit einer Sonderportion an Traktion. Das Ergebnis ist eine Leichtfüßigkeit, die man dem bulligen Audi anfänglich kaum zutraut: Der Spyder schnupft die Kurven nonchalant, bleibt dabei trotzdem stabil und bezeugt damit eine perfekte Balance der Massen. Weiteres Highlight: die scharfe, präzise Lenkung. Schlichtweg sensationell wird beim forcierten Fahren letztlich die Leistung und Dosierbarkeit der Bremsen. Ein Blick hinter die filigranen Felgen offenbart dann allerdings die Ausrüstung des Testwagens mit einem teuren Extra: Keramik-Bremsen um knappe 13 Tausender. Da darf man sich die tolle Performance wohl erwarten.
Was man für sein Geld noch alles geboten bekommt und das Resümee der autonet.at-Redaktion lesen Sie auf Seite 3.
Alltags-Racer
Dass der Audi R8 Spyder nicht nur auf den Rennstrecken der sonnigen Wochenenden sondern auch auf den ruppigen Straßen des Alltags Freude macht, das verdankt er vor allem dem „Magnetic Ride“ Fahrwerk mit adaptivem Dämpfersystem. Es ist straff, wo man es straff haben will – und federt über die Widrigkeiten des österreichischen Straßenbaus einfach hinweg. Der Komfort lebt aber auch dank fantastischer Sitze (Leder ist serienmäßig) und der Dienstleistungen der R tronic, die einem das lästige Kuppeln und meist auch das händische Umrühren im Getriebe erspart. Freilich, ein paar Einschränkungen muss man wohl hinnehmen, vor allem, was die praktischen Seiten betrifft. So hat man sich mit einer 100-Liter-Gepäckhöhle unter der vorderen Haube zu bescheiden. Immerhin springt die Abdeckung per Schlüssel-Fernbedienung auf, und es gibt ein maßgeschneidertes Kofferset für all jene, denen Louis Vuitton zu unsportlich ist. Das Dach hingegen erfordert keine Kompromisse: Mit seiner aufwändigen Gestaltung ist es uneingeschränkt wintertauglich.
Das Resümee: Hightech, Sport und schnelle Beine
Der Audi R8 Spyder ist genauso, wie man sich heute ein Supercabrio vorstellt: Leicht, schnell, stark aber gleichzeitig auch intelligent und mit jener Portion an Komfort und Alltagstauglichkeit, die das Paket erst rund macht. Dazu ist er durchzogen von Innovationen: Beispielsweise gibt’s serienmäßig Voll-LED-Scheinwerfer und gegen Aufpreis eine Bluetooth-Freisprecheinrichtung, die drei Mikrofone am Gurt des Fahrers integriert. Direkteinspritzung, Alu Space Frame, quattro und R tronic sind weitere Bausteine, die bei Audi ohnehin zum guten Ton in der Oberliga gehören. Beim Fahren verschmelzen dann all diese elitären Zutaten zu einem Kunstwerk, das eigentlich viel zu schade zum Fahren wäre – würde es nicht dermaßen viel Spaß machen.
Drucken17.08.2010 von Peter Schönlaub