Opel Meriva: Schon gefahren
Mit dem neuen Meriva hat Opel ein gewitztes Stück Automobil heraus gebracht. Optisch ist der Minivan kein Vergleich zum 2003 inaugurierten Vorgänger. Die hinten angeschlagenen Fondtüren sind weit mehr als nur ein Gag und werden im Konkurrenzumfeld sicher Nachahmer finden. Marktstart: 11. Juni. Preise: ab 15.490 Euro.
Mit dem so genannten FlexDoor-System hat Opel im Segment der Minivans ein absolutes Allenstellungsmerkmal. Im 1.Test haben sich die gegenläufig öffnenden Fondtüren als sehr praktisch erwiesen.
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Bei den ersten Testfahrten des neuen Opel Meriva wurde dem Vorgängermodell eine letzte Ehe erwiesen, bevor es ab in die Annalen der Rüsselheimer Automobilgeschichte geht. Ein Teil der Testroute in und um Hamburg wurde in der ersten Generation des Minivan zurückgelegt. Nicht einfach sang- und klanglos ins Abseits befördert zu werden, hat er sich auch verdient. Immerhin hat der seit 2003 amtsführende Meriva I den Hessen mit über einer Million verkauften Stück einen veritablen Erfolg beschert. Was bei dieser Quasi-Nostalgiefahrt noch einmal deutlich vor Augen gehalten wurden, sind die ausgeprägten praktischen Tugenden des kompakten Familientransporters.
Optischer Quantensprung
Was in diesem direkten Vergleich zum neuen Meriva allerdings auch wie Schuppen von den Augen fiel, ist die ausgesprochen optische Reizlosigkeit des Erstlings. Damit ist beim Neuling eindeutig Schluß. Nun kann man sich dem Meriva nähern, ohne augenblicklich der Narkolepsie anheim zu fallen. Ein hübsches, weit aufgerissenes Kühlermaul zaubert dem Meriva ein freundliches Lächeln ins Gesicht. Flankiert wird der Chromgrill von großen Scheinwerfern mit dynamischem Knick an der Unterseite. Letzterer zieht sich wie ein roter Faden durchs gesamte Exterieurdesign. Am augenscheinlichsten ist dieses optische Feature, das Opel als "Sichel" bezeichnet, in der Seitenansicht, wo sich eine markante Linie von der A-Säule hinunter zu den hinteren Radläufen zieht. Schick auch die Heckansicht des Meriva mit ihren großen Rückleuchten und dem schwarzen Scheibenrahmen, der sich V-förmig Richtung horizontaler Fahrzeugmitte verjüngt. Augenfällig ist in diesem Betrachtungswinkel eine gewisse Ähnlichkeit mit der Mercedes A-Klasse.
Länger, breiter, höher
Dass der neue Meriva in seiner Gesamtheit größer wirkt, ist keine optische Täuschung. Insgesamt wuchs der Rüsselsheimer in der Länge um doch recht beträchtliche 23 Zentimeter und misst nun fasst 4,3 Meter. Der Radstand legte um 1,5 Zentimeter zu die Spurbreite um etwa 4 Zentimeter. Diese dimensionale Progression spiegelt sich letztendlich auch im Inneren des Meriva wider. Das Raumgefühl insgesamt ist großzügiger. Ein Eindruck, der durch technische Daten wie acht Zentimeter mehr Schulter- und 1,5 Zentimeter mehr Beinfreiheit faktisch untermauert wird. Das Kofferraumvolumen ist auf 400 Liter angewachsen. Werden die Fondsitze umgeklappt, was übrigens dank dem aus dem Vorgänger übernommenen FlexSpace-Sitzkonzept watscheneinfach funktioniert, wird eine ebene Fläche mit einer Ladekapazität von 1.500 Litern generiert.
Interieur: praktischer und hochwertiger
Wer im neuen Meriva unterwegs ist, fragt sich, wohin mit Handy, Schlüssel und Co. Das allerdings nicht wegen eines Magels, sondern eines regelrechten Überangebots an Ablagefächern. 32 gibt es an der Zahl. Sehr praktisch ist das so genannte FlexRail-System im Mitteltunnel. Eine auch als Armlehme fungierende Staubox ist auf Aluminiumschienen gelagert und lässt sich längs verschieben. Außerdem kann die Schiene mit verschiedenen, optional erhältlichen Ablagefächern ausgestattet und so an die ganz persönlichen Bedürfnisse angepasst werden.
Außer mit hohem Nutzwert punktet der Innenraum mit einem deutlich edleren Ambiente. Feine, weiche Materialien und gummierte Bedienelemente verleihen einen sehr premiumaffinen Touch. Das Design der Mittelkonsole wurde aus dem Astra, respektive dem Insignia übernommen. Es sitzt sich gut, vor allem auf den aufpreispflichtigen Ergonomiesitzen (rund 500 Euro) mit verstellbarer Oberschenkelauflage. Komfortabel reist es sich Dank in der Länge verschiebbarer Sitze auch in der zweiten Reihe. Zudem wurde die Sitzposition erhöht, wodurch der Ausblick nach vorne verbessert wurde. Jenem zur Seite zuträglich ist der Knick in der Schulterlinie im Bereich der hinteren Seitenfenster. Dadurch erschließt sich der Reiz der vorüberziehenden Landschaft vor allem Kindern nahezu uneingeschränkt.
Wie sich das neue FlexDoor-Türkonzept in der Praxis beweist, wie sich der neue Meriva fährt und was er kostet, lesen Sie auf Seite 2
Mach hoch die Tür, das Tor macht weit
Länger wollen wir Sie nun allerdings nicht mehr auf die Folter spannen und kommen nun zum eigentlichen Clou des neuen Meriva, dem so genannten FlexDoor-System. Von der Konvention geeicht greift, wer die hinteren Türen öffnen will, zuerst einmal ins Leere. Der Griff befindet sich statt auf der rechten, auf der linken Seite der Türe. Das ist allerdings auch schon das Einzige, was einer gewissen Umgewöhnung bedarf. Ansonsten erschließt sich dem Benützer die Logik und Funktionalität der gegenläufig öffnenden Türen schnell und intuitiv. Be- und Entsteigen gelingt in einem angenehm verrenkungsfreiem Bewegungsablauf. Besonders zu schätzen wissen wird die FlexDoors, wer regelmäßig Kindersitze und die dazugehörigen Passagiere in den Fond hieven muss. Durch den extrem weiten Öffnungswinkel von 84 Grad sind die Türen stets außerhalb des Aktionsradius. Ebenfalls als äußerst vorteilhaft erweist sich dieses Türsystem auch bei engen Schrägparkplätzen. Statt sich mühsam aus oder in das Auto schlängeln zu müssen, betritt man nun die Fahrgastzelle geraden Rückens und aufrechten Hauptes.
Kein Selbstmord-Kommando
Das Horrorszenario, dass der hinten sitzende "G´schrapp" die Türe bei voller Fahrt öffnet, hat diesem Türsystem den bezeichnenden Namen "Suicide-Doors" eingebracht. Dieser Gefahr hat Opel beim neuen Meriva einen sprichwörtlichen Riegel vorgschoben. Ab 4 km/h werden die Türen versperrt, was optisch durch ein rot leuchtendes LED-Lämpchen im Bereich der Griffe angezeigt wird.
Straffes Handling
Statt wie bisher auf jener des Corsa basiert der neue Meriva auf der Plattform des Zafira. Das zeitigt ein deutlich verbessertes Fahrverhalten. Das Fahrwerk ist straff ausgelegt, ohne dass dabei auf komfortables Abrollverhalten verzichtet werden muss. Durch den bereits angesprochenen verlängerten Radstand und die breitere Spur liegt der Meriva satt auf der Straße. Wer es darauf anlegt, die retrograde Peristaltik des Nachwuchses anzuregen, kann den Meriva durchaus forciert um die Kurve jagen. Bei höheren Geschwindigkeit fällt das niedrige Geräuschniveau im Innenraum auf.
Motorenpalette
Das der Dieselboom eindeutig am Ende ist, zeigt schon allein die Gewichtung bei der ab Juni zur Verfügung stehenden Motorenpalette: drei 1.4-l.Benziner und zwei Diesel, wobei letztere bei der ersten Fahrpräsentation erst gar nicht zu Verfügung standen. Und um ehrlich zu sein, wir haben die Selbstzünder auch gar nicht vermisst. Der Basis-Otto leistet 100 PS bei einem Drehmoment von 130 Newtonmetern und einem Verbrauch von 6,1 Litern. Als ideale Motorisierung für den rund 1,4 Tonnen schweren Meriva hat sich bei der ersten Ausfahrt der nächststärkere Benziner mit 120 PS und Turboaufladung herausgestellt. Die Fahrleistungen sind mit einer Beschleunigung von 11,5 Sekunden (0 - 100 km/h) und einer Höchstgeschwindigkeit von 188 km/h überzeugend, zumal der Verbrauch mit jenem des schwächern Kollegen ident ist. 0,6 Liter mehr verbraucht der Top-Benziner mit 140 PS, der dafür mit einem 6-Gang-Getriebe punktet.
Wer nicht um die Burg den Selbstzündern abschwören will, kann auch auf einen 1.3 CDTI mit 75 und einen 1.7 CDTI mit 100 PS zurückgreifen. Das Problem dabei: der kleinere Diesel macht mit einem Spurt von 0 auf 100 in 17 Sekunden nicht gerade durch besondere Spritzigkeit von sich Reden und der stärkere verblüfft mit einem höheren Verbrauch als der um 20 PS stärkere Benziner.
Preise
In der Basis-Version Cool&Sound kostet der Einstiegsbenziner zum Einführungspreis 15.490 Euro (gültig bis 30.06.2010). Die Dieselpreise beginnen bei 16.890 Euro. Der Top-Benziner in der Ausstattung Cosmo kommt auf 23.350 Euro.
Drucken15.04.2010 von Christian Zacharnik