Range Rover Sport 5,0 S/C: Monster mit Manieren
Autonet-Cheftester Manfred Stohl fährt den neuen Range Rover Sport mit unfassbaren 510 PS. Kann so viel Leistung überhaupt verdaut werden? Lesen und sehen Sie selbst.
Manfred Stohl hat mit dem Range Rover Sport den letzten Schnee zum schmelzen gebracht.
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„Eigentlich“, sagt Manfred Stohl, „eigentlich mag ich keine SUV.“ Die Gründe dafür liegen für den Rallye-Profi auf der Hand: Sie bieten weniger Raum als ein Van, weniger Fahrdynamik als eine Limousine und viel weniger Spaß als ein Sportwagen. Warum sich der Wiener dann trotzdem in unseren neuen Range Rover Sport setzt, liegt an einer einfachen Zahl: 510. So viele Pferdestärken stecken nämlich unter der mächtigen Haube des Briten, da kann man seine Aversionen schon einmal hinten anstellen, den hohen Fahrersitz erklimmen und zu einer ganz besonderen Testfahrt aufbrechen.
Der Range Rover Sport: Was ist neu?
Während der Motor warm läuft gibt’s eine kurze Produktschulung. Der Range Rover Sport bekam kürzlich ein Facelift, wobei dieser Name in die Irre führt. Am Face, also am Gesicht, finden sich nämlich nur geringe Veränderungen. Am auffälligsten sind die neuen Scheinwerfer, die mit kreisförmig angeordneten LED-Lichtpunkten ausgestattet wurden. Kleine Retuschen am Grill und am Stoßfänger sind weitere Anhaltspunkte für ausgewiesene Kenner der Marke. Schon deutlicher zeigt sich das Modell-Update im Innenraum. Vor allem die Mittelkonsole hat das Geländewagenhafte endgültig abgestreift und präsentiert sich im Look & Feel einer echten Luxuslimousine. Auf Hochglanz lackiertes Walnussholz trifft auf echte Aluminium-Applikationen und handwerklich perfekt vernähtes Premium-Leder. Dazu bekommen wir modernste Technologien serviert, etwa ein HDD-Navigationssystem mit großem Touchscreen, eine Rückfahrkamera und ein Harman-Kardon-Soundsystem – alles serienmäßig.
Das neue Technik-Paket
Zeigt der Innenraum auch viele Neuheiten, die großen Änderungen fanden aber doch an der technischen Basis statt. So fand das adaptive Dämpfersystem nun auch Einzug in diese Modellreihe, und das Motorenprogramm wurde komplett umgekrempelt. Das Highlight der Palette befeuert unseren Testwagen: ein V8-Kompressormotor mit fünf Liter Hubraum und den erwähnten 510 PS. Im Zusammenspiel mit der Sechsgangautomatik („Command Shift“, weil es auch Schaltwippen hinter dem Lenkrad gibt) beschleunigt das 2,6 Tonnen schwere Auto in 6,2 Sekunden auf 100 km/h, die Höchstgeschwindigkeit wird von der Elektronik auf 225 Stundenkilometer begrenzt. Doch all die Zahlen lassen kaum erahnen, was passiert, wenn der Sturm entfesselt wird. Und genau das geschieht nun.
Feine Manieren
Schon das Starten des Motors ist ein Erlebnis. Der Motor brüllt kurz auf, das Auto erbebt unter dem ersten Stampfen der acht Zylinder. Dann kehrt aber sofort Ruhe ein. Für die Anfangsrunden gleitet der Range Rover Sport geschmeidig wie ein Modellathlet und fast unhörbar über die Strecke des Driving Camp in Pachfurth (
www.drivingcamp.at). Die serienmäßige elektronische Luftfederung an beiden Achsen sorgt gemeinsam mit dem adaptiven Dämpfersystem für ein erstaunliches Maß an Komfort; gleichzeitig wird bei schnelleren Kurvenfahrten auch die Wankneigung der Karosserie vermindert. Bereits bekannt ist das „Terrain Response System“: Per Drehknopf kann der Fahrer das Auto auf verschiedene Fahrbahnbedingungen – Gelände, Wüste – abstimmen. Damit werden die Bodenfreiheit, das Ansprechverhalten der Traktionskontrolle, die Verteilung des Drehmoments und viele andere Parameter beeinflusst. In unserem Fall interessiert uns aber nur ein Bedienelement: das Gaspedal.
Schubkraft wie ein Airbus
Es ist berührend, welche Kräfte man entfesselt, wenn man das Gaspedal zu Boden drückt. Die Automatik schaltet erstaunlich schnell in den passenden Gang zurück, dann wird das Haupt des Fahrers gegen die Kopfstütze gedrückt. Der Allradantrieb und das nicht gerade schmächtige Gewicht sorgen dabei für perfekte Traktion und so katapultiert sich der schwarze Rangie mit aller Vehemenz nach vorne. Die Kraft baut sich dabei ohne Pause auf: Die gelungene Abstimmung des Motors macht es möglich, dass das maximale Drehmoment von 625 Newtonmeter auf einem breiten Plateau zwischen 2500 und 5500 Umdrehungen konstant bleibt. Übersetzt in eine allgemein verständliche Sprache bedeutet das: Man hat Schmalz in jeder Phase der Beschleunigung.
Welche kleinen Schwächen der Range Rover Sport hat und wie das Resümee von autonet.at-Cheftester Manfred Stohl ausfällt, lesen Sie auf der zweiten Seite - hier klicken!
Quer durch die Kurven
Für einen sauberen Drift auf dem verscheiten Gelände muss aber sogar ein Könner wie Manfred Stohl ein paar Versuche absolvieren. Grund ist das komplexe elektronische Netzwerk. Auch wenn man das ESP (heißt hier DSC) deaktiviert, spürt das Rallye-As immer wieder das Eingreifen der Elektronik: mal am Fahrwerk, mal durch eine veränderte Verteilung des Drehmoments im Allradsystem. Für spektakuläre Fotos und das Video muss man das Auto daher abstimmen wie einen Rennwagen – dann fliegt das mächtige Schiff um die Kurve, dass der Schnee in hohem Bogen das Weite sucht. „Hat man sich erst an das Mitregeln der Elektronik gewöhnt, lässt sich der große, schwere Range Rover Sport erstaunlich leichtfüßig bewegen“, konstatiert Stohl. Die vielen Sicherheitsnetze der Elektronik sind aber im Alltag gut investiert, im Normalfall wird man seinen Ehrgeiz kaum in einen gepflegten Drift investieren – da ist man sehr dankbar, wenn die gewaltige Kraft des Motors mit der Hilfe von ein paar Assistenten im Zaum gehalten wird.
510 PS im Alltag: Souverän ...
Im Alltag besteht die hervorstechende Eigenschaft des neuen V8-Motors nicht in der puren Leistung, sondern in seiner Souveränität. Man gleitet wie Königin Elizabeth II. in ihrem Bentley dahin, und wenn es notwendig ist, genügt eine fast unmerkliche Erhöhung des Gaspedalrucks, um nachdrücklich zu beschleunigen. So macht allein das Wissen um die Macht schon gleichmütig und milde, man genießt diese Hochkultur in Sachen Laufruhe und Geräuschkulisse, hat Leistungsbeweise längst nicht mehr notwendig. Freilich haben Eleganz und Laissez-faire in diesem Umfeld auch ihre Preise. Es beginnt bei den Kosten für den Kauf: 102.060 Euro kostet der starke Range Rover Sport. Darin sind die wichtigsten Goodies bereits enthalten, aber auch die Aufpreisliste ist verführerisch: dunkel getönte Fondscheiben, Keyless Entry, Abstands-Tempomat, ein erweitertes Lederpaket (das auch die Instrumententafel mit Kuhhaut überzieht), ein TV-Tuner, die Lenkrad-Heizung – mit diesen und vielen anderen Feinheiten können leicht nochmals 20.000 Euro investiert werden. Angesichts dieser Summen relativieren sich die Betriebskosten. Allein für die motorbezogene Versicherungssteuer werden jährlich 2300 Euro fällig, der Praxisverbrauch liegt bei stolzen 18 Litern.
... und mit kleinen Schwächen
So souverän der Range Rover Sport im Großen ist, ein paar kleine Schwächen passieren ihm dennoch. So nervte die komplexe Elektronik mit einigen Fehlermeldungen, die uns sogar in die Werkstatt zwangen. Auch einige Ausstattungen erfüllten ihre Aufgaben nicht in gewünschter Präzision: Die serienmäßige Abblendautomatik ist ein Holler, und von den fünf (!) Einparkkameras (ein Extra, kostet 1032 Euro) versagten ständig zwei bis drei ihren Dienst. Ein weiterer Lapsus: Das verschmutze Wasser von der Frontscheibe wird nicht seitlich abgeleitet, sondern rinnt über die Seitenscheiben. Und dass man zum ordentlichen Umklappen der Fondsitze mit den Vordersitzen weit nach vorne fahren muss (und nicht mehr anständig sitzen kann), muss auch nicht sein. Nicht zuletzt würden wir uns auf diesem Niveau eine elektrische Heckklappe wünschen – weil die große Tür schwergängig ist und der Griff stark verschmutzt.
Resümee: Der pure Luxus
All die Kleinigkeiten gewinnen aber wieder an Unschärfe, wenn man auf das Gesamtkonzept fokussiert. Ein Auto wie diesen hyperstarken Range Rover Sport kann man ja kaum mit normalen Maßstäben messen. Ist diese Version unvernünftig? Sicher. Doch macht das Fahren Spaß? Auf jeden Fall. Mit all den High-Tech-Ausstattungen und dem famosen Motor wird das SUV zu einer hochbeinigen Luxuslimousine mit erweitertem Einsatzradius. Und so hat es sich doch ausgezahlt, die generelle Abneigung gegen SUV für diesen Test über Bord zu werfen. Allein das Grinsen von Manfred Stohl spricht Bände.
Drucken23.03.2010 von Peter Schönlaub