Porsche Panamera Turbo: Vier Türen für ein Halleluja
Drei Autos in einem: luxuriöse Reiselimousine, sanfte Familienkutsche und bitterböser Supersportler. Der 500 PS starke Porsche Panamera lässt kaum Wünsche offen. Der autonet.at-Intensivtest.
Ein Ass im Schnee: der Porsche Panamera Turbo fühlt sich dank perfekte Technik, Allradantrieb und Kraft im Überfluss auf jedem Terrain heimisch.
Was haben sich nicht alle das Maul zerissen, als Porsche vor fast sechs Jahren die Produktion eines viertürigen Sportcoupés ankündigte. Gut, mit dem Cayenne war der 911er-Bann sowieso schon gebrochen, aber mußte die Traditionsschmiede aus Zuffenhausen diesem "Sakrileg" unbedingt noch eins draufsetzten? So der Tenor innerhalb des konservativen Fan-Block. Die Skepsis gegenüber dem Gran Turismo aus Zuffenhausen jedenfalls war denkbar groß. Und heute? Fast ein halbes Jahr nach Markteinführung steht der Panamera hochweiß da: von Auszeichnungen überhäuft ("Goldenes Lenkrad", "Bestes Auto", "Auto Trophy", . . .) und von der Käuferschicht äußerst wohlgelitten (seit September 2009 wurden 8.200 Stück ausgeliefert). Außerdem: die vierte Baureihe des schwäbischen Edelschmiede rechtfertig sich schon allein in Expektanz des Hauptkonkurrenten Aston Martin Rapide. Den Engländern das Feld der viertürigen Luxus-Sportcoupés kampflos zu überlassen, wäre eindeutig ein Fehler gewesen.
Keine Ausrede mehr
Ob der Panamera dem ohnehin etwas ins Hintertreffen geratenen Cayenne gut tut, steht auf einem anderen Blatt. Eine "Ausrede" für den Kauf des Zuffenhausen-SUV war bislang, unbedingt Porsche fahren, aber dabei nicht auf Sack und Pack verzichten zu wollen. Das gilt nun nicht mehr: der Kofferraum des Panamera unterbietet mit 445 Litern jenen des Cayenne um lediglich knapp 100 Liter. Große Augen macht auch, wer in den Fond des Panamera schaut: die Sitze sind alles andere als Notbehelfe. Langstrecken sind im Stretch-Porsche für alle Beteiligten ein äußerst komfortbetontes Unterfangen.
Vierte Dimension
Andererseits: wäre auch verwunderlich, wenn dem nicht so wäre. Immerhin erstreckt sich der Gran Turismo über eine Länge von knapp fünf Metern. Der Radstand ist um nur zwei Meter kürzer. Und auch in der Breite überbietet der Panamera etwa den Cayenne um 3 Millimeter, und das will was heißen. Ergo: der Panamera ist schon ein ordentliches Trum Automobil. Parkhaus-Manöver geraten am Steuer des vierten Porsche zum angstschweißtreibenden Belastungsprobe. Beim Einparken würde eine Rückfahrkamera hilfreiche Dienste leisten. Dass diese selbst in der von uns getesteten, insgesamt 193.000 Euro teuren Top-Version des Panamera nur gegen einen Aufpreis von 559 Euro zu ordern ist, müssen wir als etwas kleinlich bewerten.
Macht und Eleganz
Auf der anderen Seite sind es genau diese Gardemaße, die den Panamera optisch derart bestechend machen. Dieses Auto strahlt eine gewaltige, von Eleganz geprägte Souveränität aus. Das Heck des Panamera polarisiert. Die Einen ziehen ob seiner ausladenden Formen, wenig schmeichelhaft gemeinte Vergleiche mit der Kehrseite etwa einer Jenifer Lopez. Andere wiederum (und da gehen wir konform) meinen, dass das Hinterteil des Panamera gar nicht anders aussehen könnte und in seiner Proportion im Verhältnis zu den schieren Abmessungen des Fahrzeugs einer gewissen Logik nicht entbehrt.
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Edles Cockpit
Bevor wir uns den Fahreigenschaften des Panamera widmen, sei noch ein Blick ins Cockpit gestattet. Der uns zur Verfügung gestellte carbongraumetallicfarbene Turbo kommt mit hellbeiger Innenaustattung daher. Das ist hochelegant, im derzeit von einer Schneematsch-Streusplit-Mischkulanz geplagten Wien allerdings fast schon ein Frevel. Sofort ins Auge sticht der extravagant gestylte Mitteltunnel, der frappant dem Tastaturdesign des sündhaftteuren Nobelhandys Vertu ähnelt. Anfangs kommt man sich angesichts dieses fast schon inflationären Tastenaufkommens etwas verloren vor. Das gibt sich allerdings rasch und man weiß die örtliche Nähe der wichtigsten Funktionsknöpfe zu schätzen (vor allem die der Sport- und Sport-Plus-Taste, aber dazu später). Kleiner Kritikpunkt: Die riesige Heckklappe macht, im Gegensatz zum satten Plopp der Seitentüren, ein etwas schepperndes Geräusch beim Zuschlagen.
Sanfter Kraftprotz
Zur sehr noblen Gesamterscheinung des Panamera Turbo passt, wie sich der 4,8-l-V8 akustisch geriert. Beim Starten faucht das Triebwerk auf, und gibt damit einen kurzen, aber unmissverständlichen Hinweis an die Umstehenden, um welches Kaliber es sich hier handelt. Im Standgas und pomale bewegt übt sich der Panamera Turbo allerdings in ausgesprochen tonaler Zurückhaltung - sowohl nach außen, ganz besonders aber nach innen. Das ändert sich freilich, wird Stoff gegeben: Dann schwillt das distinguierte Achtzylinder-Gebrabbel zu einem ausgewachsenen Donnergrollen an.
Komfortabler Sportler
Im Alltag, sprich: im Stadtgebiet, ist die Versuchung aber erstaunlich gering, dem Panamera die Sporen in die Flanken zu schlagen: den von Frostschäden gepflasterten postwinterlich Asphalt bügelt der Panamera mit einer Grandezza glatt, wie man sie nur von Oberklasselimousinen a la 7er, A8 oder S-Klasse kennt. Das Doppelkupplungsgetriebe (PDK) sortiert die 7 Gänge geschmeidig. Lediglich auf spontanen Gasbefehl beim Anfahren reagiert der Panamera mit einer kurzen Denkpause. Das kann durch einen fahrzeugstraffenden Druck auf die Sport-Taste zwar locker ausgemerzt werden, allerdings relativieren sich dadurch auch die zuvor genannten Komfortattribute und das für ein Auto dieser Leistungsklasse doch sehr moderate Trinkverhalten. Im Schnitt kommt der Panamera Turbo mit 12,2 Litern über die Runden. Einen kleinen Beitrag dazu leistet auch die Start-Stopp-Automatik.
Vom Saulus zum Paulus
Den Berserker mimt der Panamera Turbo hingegen, wird er von der Leine gelassen. In 4 Sekunden katapultiert sich der Zweitonner dann auf 100 Sachen. Das monumentale Drehmoment von 700 Newtonmeter vermittelt den Eindruck eines nicht enden wollenden Beschleunigungsexzesses. Die vier Räder angetriebenen ersticken jeglichen Anflug von Traktionsschwäche augenblicklich im Keim. Einen kleinen Ausritt in schneebedeckte Gefilde konnten wir uns einfach nicht verkneifen. Der breite Grinser im Gesicht des Piloten wollte im Anschluß an ein paar beherzte und perfekt zu kontrollierende Drifts für längere Zeit nicht mehr weichen. Die Schaltpadels am Lenkrad blieben übrigens während der gesamten Testphase unangetastet. Jeder Eingriff eines fehlbaren menschlichen Individuums in die perfekte Funktionsweise des PDK wirkt sich hier nur störend aus.
Fazit
An der allgemeinen Neidgesellschaft kann man sich am Steuer des Porsche Panamera nicht dezent vorbeischummeln. Soll heißen: Man darf kein Problem haben, die für die Anschaffung dieses Autos benötigte erhebliche Solvenz auch offen zu zeigen. Eine Eigenschaft, über die knapp über 80 Österreicher verfügen, die sich sich mittlerweile im Besitzstand des Panamera befinden. Ab 164.040 Euro kostet der Supersport-Hüne aus Zuffenhausen. Mit einigen Gimmicks, wie etwa die Porsche Ceramic Composite Bremsen (10.000 Euro Aufpreis) nähert man sich rasend schnell der 200.000er-Grenze. Per se viel Geld, freilich, in Anbetracht der schieren Performance, der technischen Perfektion und der unglaublichen Bandbreite dieses Autos allerdings dann fast schon wieder ein Mäzie. Nicht zuletzt auch vor dem Hintergrund, dass der direkte Konkurrent, der Aston Martin Rapide preislich dort beginnt, wo der Panamera bereits aufhört.
Drucken16.02.2010 von Christian Zacharnik